Sozialismus von unten
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Wie der Kapitalismus uns krank macht...

Referat auf den Rosa-Luxemburg-Tagen, 7. Mai 2003

von Frank Eßers

1. SARS - Entstehung und Verbreitung

SARS (Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom) ist eine heftige Form von Grippe, die bei 5 bis 10 Prozent der Kranken zum Tode führt.
Die Zeitungen wetteifern im Konkurrenzkampf um die höchsten Verkaufszahlen um die reißerischste Schlagzeile. Die BILD schrieb z.B.: ""Lungenseuche ist nicht mehr zu stoppen". Die Bild bezeichnete SARS-Kranke auch als "Seuchen-Bomben".
Die Weigerung der Zeitungen, über die Armut in China als Grund für den Ausbruch der Seuche aufzuklären, führt auch zu rassistischen Ängsten. Ein deutscher Virologe berichtet dem Spiegel, dass bei ihm immer wieder Leute anrufen, die wissen wollen, ob sie noch chinesisch essen dürfen.
SARS ist letzten November in der chinesischen Provinz Guangdong ausgebrochen und hat sich ins benachbarte Hong Kong ausgebreitet. Die chinesische Regierung hat zunächst alles getan, um SARS totzuschweigen. Sie hatte Angst, dass ihre internationalen Geschäfte gefährdet würden. Profite waren ihr wichtiger als Menschenleben.
Guandong ist eine sehr arme Provinz und wird, wie die gesamte chinesische Ostküste, zur Zeit industrialisiert. Der chinesische Osten ist zu einem Billiglohngebiet für internationale Konzerne geworden.
Der Durchschnittslohn eines chinesischen. Arbeiters dort ist 60 US-Cents pro Stunde - selbst in Mexiko verdienen Arbeiter 1,4 US-Dollar in der Stunde.
Seit der Einführung des freien Marktes sind die Preise für Agrarprodukte um 23 Prozent gefallen. Viele total verarmte Bauern strömen vom Westen deshalb in die Industriestädte des Ostens.
Die Städte sind überbevölkert und die sanitären Bedingungen für die Arbeiter sind grauenhaft. Weil der Lohn nicht zum Überleben reicht, halten viele Menschen Tiere, die sie auf dem Markt verkaufen.
Die Armut, die schlechten sanitären Bedingungen, das schlechte Gesundheitssystem und die Überbevölkerung führen in Verbindung mit dem engen zusammenleben mit Tieren und dem tropischen Klima zu Entstehung immer neuer Krankheiten - und zu ihrer schnellen Verbreitung.
Das benachbarte Hong Kong ist eine wichtiges internationales Handelszentrum. Von dort verbreitet sich SARS über die ganze Welt.

2. Seuchen im Kapitalismus

Der Ausbruch von Seuchen im Kapitalismus ist nichts Neues. Im London des 19. Jahrhunderts mussten die Arbeiter unter ähnlichen Bedingungen leben wie die chinesischen Arbeiter der Ostküste heute. In London war es die Cholera, die die Arbeiter wie Fliegen dahinraffte.
Der erste Weltkrieges schleuderte Millionen Menschen ins Elend. Alle möglichen Krankheiten und Seuchen brachen aus. Die Grippeepidemie tötete damals weltweit 40 Millionen Menschen.
Auch AIDS trifft vor allem arme Menschen. Aber während die Ausbreitung von Aids in den reichen Ländern gestoppt werden konnte, wütet Aids in Afrika weiter. Die Pharmakonzerne haben sogar verboten, das in Afrika billige Aids-Medikamente produziert werden. Sie hatten Angst um ihre Profite. Nur durch internationale Proteste von Globalisierungskritikern und den Betroffenen konnten die Konzerne in die Knie gezwungen werden.
SARS wird zur Zeit mit riesigem Aufwand international bekämpft. Forschungsinstitute der ganzen Welt sind von der Weltgesundheitsorganisation der UNO vernetzt worden, um die Seuche zu besiegen.
Innerhalb kürzester Zeit wurde der Erreger erkannt und sein erbgut entschlüsselt. Deutsche Virologen arbeiten fieberhaft an einem Heilmittel und haben erste erfolge erzielt.
Und das, obwohl andere Seuchen viel mehr Menschen töten. Weltweit sind 40 Millionen Menschen mit Aids infiziert. 20 Millionen sind bereits an Aids gestorben. An SARS sind weltweit 6100 Menschen erkrankt, 417 sind bisher gestorben.
Trotzdem wird Aids in Afrika nicht so konsequent bekämpft. Auch Malaria, die täglich 3.000 Menschen tötet - meistens in armen Ländern, ist kein Thema.
Das liegt daran, dass sich die Reichen gegen Aids und Malaria schützen können. SARS hingegen betrifft auch die Reichen. SARS ist, wie gesagt, in einer jener bitterarmen Arbeiterregionen ausgebrochen, die sie geschaffen haben, um billig produzieren zu können. Es war ihr Pech, dass ihre internationale Handelsdrehscheibe Hong Kong gleich in der Nähe liegt. Wäre SARS in einem für sie unbedeutenden armen Land ausgebrochen, dann würden wir davon nichts wissen.
Die Eroberung Osteuropas durch die Konzerne zeigt auch dort deutlich, was es heißt, wenn Profite vor Menschen gehen.
In Rumänien sterben Patienten, weil Pharmakonzerne wegen unbezahlter Rechnungen Medikamente nicht liefern. Am St.-Mary-Krankenhaus in Iasi musste sich Ende April deswegen ein Arzt entscheiden, welche 11 von 21 todkranken Kindern er sterben lassen muss. Er hatte nicht genug Medikamente, um allen das Leben zu retten.
Ärzte mussten auf der Straße betteln, um Geld für die Versorgung ihrer Patienten zusammen zu bekommen.

3. Kapitalismus macht krank

Aber nicht nur Seuchen verbreiten sich, weil die Kapitalisten nur an ihre Profite denken. Der Kapitalismus macht uns auch krank.
Laut Internationaler Arbeitsorganisation (ILO) starben voretztes Jahr mehr Menschen durch ihre Arbeit als durch Kriege. Fast 2 Millionen Menschen sind bei Arbeitsunfällen oder an Berufskrankheiten gestorben. Etwa 700.000 durch Kriege.
ILO beschuldigt die Konzerne der Industrieländer, weil diese gefährliche Produktion in ärmere Länder verlagern. Dort seien "nicht nur die Löhne niedriger, sondern die Arbeiter sind auch weniger geschützt".
Hans-Olaf Henkel, Ex-Chef des Bundes Deutscher Industrie, behauptete, die Zahl der Blaumacher in den Betrieben sei seit der Wiedereinführung der 100prozentigen Lohnfortzahlung im Krankeitsfall immens gestiegen. Deshalb soll Kranken der Lohn gekürzt werden. Daß der Anstieg durch eine Grippewelle Anfang 1999 verursacht war, weiß Henkel ganz genau. Er weiß ebenso gut, dass Verletzungen, Vergiftungen und Erkrankungen des Skelettes und der Muskeln die Krankheitsursachen Nr.1 sind. Und solche Krankheiten simuliert man nicht!
Es sind Stress und miserable Arbeitsbedingungen, die uns krankmachen. Davon wollen die Bosse, die nur weiche Chefsessel und saubere Hände kennen, nichts wissen.
600.000 Kinder in Deutschland sind krank, weil sie arm sind. Sie leiden unter falscher Ernährung, Infektionen und psychischen Krankheiten.
Der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte fordert mehr kostenlose Untersuchungen an Kindertagesstätten und Schulen durch den öffentlichen Gesundheitsdienst. Statt dessen gibt es immer weniger Untersuchungen, wegen des Personalabbaus bei Gesundheitsämtern.
Sogar die Einschulungsuntersuchungen werden von Kommunen und Ländern unterlaufen. In Bayern führen normalerweise nicht mehr Ärzte sondern ihre Assistenten die Untersuchungen durch. In Leverkusen gibt es gar keine allgemeine Untersuchung durch das Gesundheitsamt mehr. Sie wird jetzt von privaten Ärzten angeboten - gegen Bezahlung.

4. Privatisierung macht krank

Staatliche Krankenhäuser und das Gesundheitssystem in Deutschland sollen privatisiert werden. Wohin das führt, zeigen Studien aus den USA und Kanada.
Ein Viertel aller Sterbefälle und Schädigungen von Patienten wird durch Personalabbau und Kürzungen bei der Krankenversorgung verursacht. In diesem Jahr kommt den Patienten in den USA und Kanada nur noch halb so viel Betreuung zu wie 1980. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Untersuchung amerikanischer Gesundheitsexperten.
In Kanada sterben in privaten Kliniken jedes Jahr 2.200 Menschen mehr als in staatlichen und gemeinnützigen Krankenhäusern. Besonders betroffen sind Babys: Kinder, die jünger sind als 28 Tage, sind in privaten Kliniken einem zehn Prozent höheren Todesrisiko ausgesetzt.
Der Herausgeber und Mitautor der kanadischen Studie, Dr. Deveraux, warnt vor der Privatisierung: "Sie ist keine Lösung, sondern würde alles nur noch schlimmer machen."
In der kanadischen Stadt Toronto ist das Gesundheitssystem so drastisch zusammengespart worden, dass die Krankenhäuser sogar der Hauptverbreitungsherd von SARS sind.
Mit ungenügendem Schutz ausgestattetes, vollkommen überarbeitetes Personal hat sich selbst mit SARS angesteckt und die Krankheit weiterverbreitet. Seit 1995 werden öffentliche Krankenhäuser geschlossen, Personal und Betten aubgebaut.
Als die Weltgesundheitsorganisation (WHO) deshalb vor Reisen nach Toronto warnte, haben die Bosse soviel Druck gemacht, dass die WHO ihre Warnung zurückgezogen hat. Genau wie die chinesischen Bosse haben auch die kanadischen alles getan, um SARS in Kanada zu verharmlosen. Sie haben den Touristen die Schuld an der Verbreitung der Krankheit gegeben - dabei ist ihr Kahlschlag im öffentlichen Gesundheitswesen schuld.

5. Was tun?

Wir kämpfen gegen die Privatisierung des Gesundheitssystems, weil die Privatisierung nur den Bossen nützt und weil sie die Menschen kränker macht bzw. mehr Menschen sterben müssen.
Wir kämpfen dafür, dass überall auf der Welt die Arbeitsbedingungen besser werden.
Wir kämpfen dafür, dass es überall auf der Welt ein kostenloses und gutes öffentliches Gesundheitssystem gibt.
Wir kämpfen dafür, dass es überall auf der Welt für die Menschen Zugang zu sauberem Wasser, genug Nahrung, Kleidung und gute Wohnungen gibt.
Aber solange die Bosse an der Macht sind, werden sie uns ausbeuten. Wir werden krank werden und viele werden sterben müssen, nur damit ihre Profite stimmen. Deswegen müssen wir auch den kapitalismus bekämpfen.
Wir wollen eine gerechte, sozialistische Gesellschaft, wo die Menschen in Wohlstand und Frieden leben können. Wo die Menschen selbst über ihr Leben und ihre Arbeitsbedingungen bestimmen können.
Und wo es ein kostenloses, gutes Gesundheitssystem für alle Menschen gibt.
Auch in einer sozialistischen Gesellschaft können Seuchen ausbrechen - aber es werden weniger sein und sie werden keine so grauenhaften Folgen haben wie im Kapitalismus.
Vor allem werden sie konsequent bekämpft werden.


Unter www.genossetabu.de.vu ist mehr von Frank Eßers lesen.


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