Sozialismus von unten
Magazin für antikapitalistische
Debatte & Kritik

Hrsg.: Linksruck Netzwerk
Tel: 030 - 63.22.56.30
Fax: 030 - 63.22.56.21
e-mail: svu@linksruck.de
www.sozialismus-von-unten.de

[Index]    [Archiv]    [Stichwortsuche]    [Kontakt]    [Links]



Die russische Revolution 1917

John Molyneux

Die russische Revolution ist ohne jeden Zweifel das wichtigste Ereignis in der Geschichte der marxistischen Bewegung. Natürlich ist es unmöglich, diese bedeutende Revolution in einem kurzen Artikel angemessen zu beschreiben, deshalb sollen nur die wichtigsten Fakten dargestellt werden.

Im Februar 1917 führten spontane Massenstreiks und Demonstrationen in Petrograd in großem Umfang zu Straßenkämpfen. Im Verlaufe dieser Kämpfe liefen die Truppen zum größten Teil Bauern in Uniform - die herbeigerufen waren, um die Unruhen zu ersticken, auf die Seite der Bevölkerung über. Der Zar, von seinen Truppen wehrlos zurückgelassen, war zum Rücktritt gezwungen. Die Macht lag nun in den Händen der Arbeiter, die, wie auch schon 1905, einen Arbeiterrat (Sowjet) gegründet hatten. Die Delegierten allerdings, die in diesen Sowjet gewählt worden waren, unterstützten hauptsächlich die Menschewiki und andere gemäßigte Sozialisten, die der Meinung waren, daß die Revolution von bürgerlichen Liberalen angeführt werden müsse. So war es nur konsequent, daß die Macht einer provisorischen Regierung übergeben wurde. Trotzdem existierte der Sowjet weiterhin, und ähnliche Sowjets entstanden in ganz Rußland.

Die provisorische Regierung hatte die Aufgabe, die Demokratie in Rußland einzuführen und die Leiden des Volkes aufzuheben. Der Krieg hatte katastrophale Auswirkungen, unter anderem drastische Lebensmittelkürzungen und er fand in der Bevölkerung keinerlei Unterstützung. Die provisorische Regierung aber war selbst unter der Führung von Kerenski absolut unfähig, auch nur eine dieser Aufgaben zu erfüllen. Wiederholt verschob sie die Wahlen zu einer Konstituierenden Versammlung, sie führte den Krieg weiter, und sie verweigerte die Verteilung des Landes an die Bauern. Das führte dazu, daß sie sich schrittweise von den Arbeitern und Bauern entfremdete.

Im April kehrte Lenin aus dem Exil nach Rußland zurück und überzeugte die Bolschewiki schnell, ihre Position der kritischen Unterstützung für die provisorische Regierung aufzugeben und einen revolutionären Umsturz unter den Parolen "Brot, Frieden und Land" und "Alle Macht den Räten" vorzubereiten. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Bolschewiki, obwohl sie unter den fortschrittlichen Arbeitern schnell wachsen konnten, in der Arbeiterklasse insgesamt nur eine sehr geringe Unterstützung. Im Juni und Juli wollten immer mehr Sektionen der Petrograder Arbeiterklasse den Sturz der Regierung, Lenin und die bolschewistischen Führer aber beharrten darauf, daß der richtige Moment zur Erhebung noch nicht gekommen sei, da die Kräfte sich überall im Land noch die Balance hielten. Trotzdem kam es zu vereinzelten gewalttätigen Zusammenstößen. Diese nutzte Kerenski, um die Bolschewiki des Versuchs des Staatsstreiches anzuklagen und einen vernichtenden Feldzug gegen die Linke zu starten. Trotzki, der mittlerweile Bolschewik geworden war, wurde inhaftiert, und Lenin, beschuldigt, deutscher Agent zu sein, mußte in den Untergrund gehen.

Die Situation der dualen Macht zwischen der provisorischen Regierung und den Sowjets blieb dennoch weiterhin bestehen. Im September versuchte der rechte General Kornilow einen Putsch mit dem Ziel, die Revolution zu ersticken und die alte Ordnung wiederherzustellen. In letzter Minute erkannte Kerenski, der bisher mit Kornilow konspiriert hatte, daß die Konterrevolution ihn, genauso wie die Sowjets, erledigen würde. Um seine eigene Haut zu retten, war er gezwungen, alle gesellschaftlichen Kräfte, auch die Bolschewiki, zur Verteidigung der Revolution zu mobilisieren. Ohne ihre Kritik an Kerenski auch nur in einem einzigen Punkt zurückzunehmen, führten die Bolschewiki den Kampf gegen Komilow und schafften es, die Armee durch eine revolutionäre Agitation zu zersetzen.

Mit diesem Sieg schlossen sich die Massen der Arbeiter, Soldaten und Matrosen den Bolschewiki an, und diese gewannen schnell die Mehrheit in den Räten. Trotzki wurde, genau wie 1905, Vorsitzender des Petrograder Sowjets. Für Lenin war dies das Signal, daß nun der richtige Zeitpunkt gekommen sei, die Macht zu ergreifen. Sogar jetzt noch mußte er einen gewaltigen Wortkrieg mit seinem eigenen Zentralkomitee führen, um dieses dazu zu bewegen, die Worte nun in Taten umzusetzen. Nachdem die Entscheidung gefallen war, war es Trotzki, der von seiner Position im Petrograder Sowjet aus beim Leiten des Aufstandes die führende Rolle spielte. Zeitlich fiel dies mit dem 2. Nationalen Kongreß der Räte am 25. Oktober zusammen. Das Kräfteverhältnis stand jetzt so überwältigend zugunsten der Bolschewiki, daß der Aufstand nur auf sehr geringen ernsthaften Widerstand stieß und sofort Erfolg hatte. Der Sowjet-Kongreß trat zusammen als Kongreß der Arbeitermacht und wählte eine bolschewistische Regierung unter Lenins Führung.

Die Regierung verabschiedete sofort eine Reihe von Dekreten, über die Verstaatlichung des Landes und dessen Übergabe an die Bauernschaft, über den Frieden und die Kontrolle der Arbeiter über die Industrie. Dies waren die ersten Schritte zur sozialistischen Umformung Rußlands. International brachte die russische Revolution eine gewaltige Chance für den revolutionären Marxismus. In einem Zeitraum von 18 Monatenwurde die marxistische Bewegung, die bisher aus einer Handvoll von nicht miteinander verbundenen Gruppen in kleinen Parteien bestand, zu einer wirklichen Armee, die die Weltmacht anstrebte.

Die russische Revolution hatte diese Auswirkung, weil sie 3 Dinge zeigte:

1. Die Arbeiterklasse kann eine Gesellschaft regieren - diese einfache Botschaft erreichte Millionen von Arbeitern in der ganzen Welt.

2. Der Weg zu einer Arbeitermacht führt nicht über das bürgerliche Parlament, sondern darüber daß die Arbeiterklasse ihre eigenen Herrschaftsinstitutionen schafft - Arbeiterräte.

3. Ein Sieg der Arbeiterräte ist nur durch die Führung einer revolutionären Partei nach dem Muster der bolschewistischen Partei möglich.

Heute, 71 Jahre später und obwohl die russische Revolution längst zu einem stalinistischen Staatskapitalismus degeneriert ist, haben diese grundlegenden Lehren ihre Lebendigkeit und Bedeutung als Ausgangspunkt der Politik des revolutionären Marxismus behalten.



* Dieser Artikel erschien 1988 im englischen Socialist Worker




Sozialismus von unten