Sozialismus von unten Magazin für antikapitalistische Debatte & Kritik Hrsg.: Linksruck Netzwerk Tel: 030 - 63.22.56.30 Fax: 030 - 63.22.56.21 e-mail: svu@linksruck.de www.sozialismus-von-unten.de |
Zwei Augenzeugenberichte Trotz des rigorosen Versammlungsverbotes beteiligten sich bis zu 10.000 Menschen an den Protesten in München Die Stadt glich einer Festung. Busse, die auf der Autobahn abgefangen wurden, wurden umstandslos zur
Landesgrenze zurück eskortiert. Die Innenstadt war ein Heerlager. Auf dem Marienplatz, wo für 12°°
eine Pressekoferenz des Bündnisses gegen die Nato-Tagung angekündigt war, zählte jemand 70
Polizeifahrzeuge. Es war verboten, Demonstrationsmaterial, Plakate, Transparente mit sich zu tragen.
Junge Leute mit alternativen Outfit wurden ausweislich kontrolliert und des Platzes verwiesen,
manchmal in Gewahrsam genommen. Oliver Klauke
Anlässlich der NATO-Sicherheitskonferenz vom 1.-3. Februar in München verbot Stoiber alle Versammlungen und Demonstrationen. Anstatt sich einschüchtern zu lassen, gingen rund 10.000 Menschen auf die Straße. In München ging es nicht nur gegen die NATO-Tagung. "Anlass war das Denkverbot," sagte Jens gegenüber Linksruck. Er ist Schüler und bei der globalisierungskritischen Bewegung Attac gegen den Krieg aktiv. "Mir geht’s jetzt vor allem um das Recht auf Meinungsäußerung." Viele haben erkannt, dass Krieg und Angriffe auf die demokratischen Rechte Hand in Hand gehen. "Die Politik, die da gemacht wird, ist eine Politik, die den reichen Ländern den Reichtum erhalten soll und was als Terroristen deklariert wird, sind unterdrückte Völker, die sich dagegen wehren", erklärt Adolf, ein Schweißfachingenieur aus Stuttgart. "Und wenn man sich die Diskussion seit dem 11. September anschaut, wird immer deutlicher, dass nicht nur Völker unterdrückt werden, sondern verstärkt auch Meinungen bei uns. Das generelle Denkverbot von München zeigt, in welche Richtung der neue Kanzlerkandidat gehen will." Sektempfang
Der Münchener Oberbürgermeister Ude (SPD) hatte die Konferenz am Freitag zu einem Empfang im Rathaus geladen. Darüber hatten sich viele Münchener besonders erbost. Ein Maulkorb für Kritiker – Sekt für Funktionäre und Generäle. Attac München und die bayrischen Jusos starteten eine Unterschriftenkampagne. Prominente Münchner, wie Konstantin Wecker und die Münchener Grünen, stellten sich auf ihre Seite. Mit anderen Gruppen und Oppositionspolitikern bildeten sie ein Bündnis. Ihren ersten Sieg errangen die Kriegsgegner, als Ude den Sektempfang in den Bayrischen Hof, den offiziellen Tagungsort, verlegen musste. Pressekonferen Da alle Kundgebungen verboten worden waren, organisierte das Bündnis für Freitagabend eine öffentliche "Pressekonferenz" auf dem Marienplatz. Ehe es die Polizei begriffen hatte, versammelten sich hunderte Kriegsgegner. Immer mehr Passanten kamen und hörten zu. Als die Polizei den Platz räumte, hatten sich rund 2.000 Leute eingefunden. Trotz des Verbots hatten die Münchner ihr Recht auf Meinungsfreiheit durchgesetzt. Die NATO-Vertreter blieben von dem Platz verbannt. Die Polizei rächte sich für ihre Niederlage und verhaftete rund 300 friedliche Demonstranten. Sieg Auch am Samstagmittag sollte eine Pressekonferenz auf dem Marienplatz als Sammlungspunkt dienen. Die Polizei unterband die Veranstaltung und verhafteten Claus Schreer, den Sprecher des Bündnisses. Aber trotz Personenkontrollen und Absperrung kamen wieder über 1.000 Menschen auf den Marienplatz. Als die Polizei den Platz räumte, strömten Passanten aus den umliegenden Gassen, Passagen und Kaufhäusern hinzu. Etwa 10.000 junge und alte Leute, in Anzügen oder mit gefärbten Haaren riefen gemeinsam: "Wir sind das Volk" oder "NATO vertreiben, Demokratie soll bleiben". Die Polizei traute sich nicht den Zug zu unterbinden. Rache Erst viele hundert Meter weiter stoppte die Polizei die Demo. Immer wieder wurden an diesem Nachmittag Kundgebungen und Demos von der Polizei aufgelöst. Und immer wieder sammelten sich Demonstranten zu neuen Protesten. Die Kriegsgegner dominierten, trotz massivem Polizeiaufgebot, die Innenstadt. Die Polizei rächte sich, wo sie konnte. "Es ist das sechste Mal, dass wir heute kontrolliert werden. Ist wohl, weil wir anders aussehen", erzählt der slowenische Tourist Franci während einer Personalienüberprüfung. Er und seine Begleiterin tragen bunte Wollpullis. Am Abend, als die meisten Bewohner Münchens nach Hause gegangen waren, schloss die Polizei mehrere Gruppen von Demonstranten ein, viele wurden verhaftet. Schließlich umstellte die Staatsmacht auch das DGB-Haus, in dem über 500 Kriegsgegner an einer Veranstaltung mit internationalen Rednern teilnahmen. Stefan Ziefle
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