Sozialismus von unten
Magazin für antikapitalistische
Debatte & Kritik

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von Pete Green

Grundlagen der marxistischen Ökonomie


Produktion, Waren und Mehrwert

Produktion
Produktivkräfte
Produktionsverhältnisse
Die kapitalistische Produktionsweise
Waren
Geld und Arbeitszeit
Die Arbeitserttheorie
Mehrwert und Ausbeutung
Verkauf der Arbeitskraft


Die Bewegungsgesetzte des Kapitalismus

Kapital
Steigerung des Mehrwerts
Konkurrenz
Akkumulation
Der tendenzielle Fall der Profitrate
Entgegenwirkende Ursachen
Banken und ds Kreditsystem
Krise
Der Kreislauf von Auf- und Abschwung
Krisenperioden
Schluss





Produktion ist die Grundlage aller menschlichen Gesellschaften. Produktion bedeutet zu allererst die Arbeit menschlicher Wesen an Rohmaterialien, die von der Natur zur Verfügung gestellt werden. Der Schlüssel zur ganzen Geschichte bis zum heutigen Tag liegt im wechselnden Charakter dieser menschlichen Arbeit. In der Schule wird uns die Geschichte von Königen und Kaisern, von Kriegen und Religionen beigebracht. Aber ohne die unablässige Arbeit der großen Mehrheit wäre alles Übrige niemals möglich geworden. Ohne den von Sklaven, Bauern und Arbeitern produzierten Überschuß hätten die Könige nicht kämpfen und die Priester nicht predigen können.

Klassen von Menschen, die keine Arbeit verrichten, konnten erst aufkommen, als die Produktivität der menschlichen Arbeit ein bestimmtes Niveau erreicht hatte. Die Erzeugung eines Mehrprodukts über die Grundbedürfnisse des Lebens hinaus ermöglichte die Teilung der Gesellschaft in Klassen. Mehr als 90% der Zeitspanne, in der menschliche Wesen auf diesem Planeten leben, haben sie das in einer Form getan, die Marx als "primitiven Kommunismus" bezeichnete, ohne Klassenunterschiede.

Der entscheidende Durchbruch kam vor etwa 8000 Jahren mit der Entwicklung von Werkzeugen, die eine Kultivierung des Bodens in den fruchtbaren Tälern des Nahen Osten und Asiens ermöglichten. Mit solchen Werkzeugen konnten die Menschen mehr produzieren als für ihr Überleben erforderlich war. Als sich der Überschuß dann in den Händen einer kleinen Gruppe konzentrierte, wurde eine weitere Entwicklung möglich: Die herrschende Klasse konnte ihre Macht über die Produktion nutzen, um die Arbeit anderer zu vermehren. Städte konnten entstehen und die "Zivilisation" sich entwickeln. Geschichte kann deshalb nur als eine Folge unterschiedlicher Produktionsweisen verstanden werden. Jede Produktionsweise stellt eine Kombination zweier Faktoren dar: der Produktivkräfte und der Produktionsverhältnisse.

Dazu gehören die durch menschliche Arbeit geschaffenen Werkzeuge, Maschinen und Technik. Im weitesten Sinn umfassen sie die Kenntnisse und Fertigkeiten der Menschen selbst. Die Entwicklung der Produktivkräfte ermöglicht die Entwicklung der verschiedenen Stufen der menschlichen Zivilisation. Ohne die Erfindung eiserner Werkzeuge und Waffen hätte es das Römische Reich nicht gegeben. Ohne Segelschiff und Uhr wäre der Kapitalismus nicht möglich gewesen. Das bedeutet nicht, daß der technische Wandel einfach alles andere in der Gesellschaft bestimmt. Im Gegenteil war es die Ausbreitung der kapitalistischen Wirtschaftsbeziehungen, die zur industriellen Revolution führte, nicht umgekehrt. Heute hat die Entwicklung der Technik - Automatisierung, Computer und Satelliten - einen Grad erreicht, bei dem zum ersten Mal die Befreiung der großen Masse der Menschheit von endloser Mühsal und Armut möglich ist. Aber das wird nicht im Kapitalismus geschehen. Die Errichtung des Sozialismus durch die Arbeiter selbst wird nötig sein, um die Möglichkeiten der im Kapitalismus geschaffenen Produktivkräfte freizusetzen. Die geschichtliche Entwicklung hängt deshalb ab vom Zusammenwirken der Produktivkräfte mit den Produktionsverhältnissen.

Diese bestimmen die Art und Weise, wie die Produktion gesellschaftlich organisiert ist. Das betrifft zunächst die Methode, wie die menschliche Arbeitskraft der Ausführung verschiedener Aufgaben in der Gesellschaft zugeordnet wird - die Organisation der Arbeitsteilung. Zweitens bestimmen sie die Verteilung der unterschiedlichen Produktionsmittel (Land, Werkzeuge und Maschinen, Gebäude, Fabriken usw.) auf die verschiedenen Klassen. Beides zusammen legt fest, in welcher Form das Mehrprodukt in den verschiedenen Produktionsweisen erarbeitet und verwendet wird. Die Teilung der Gesellschaft in Klassen hängt also ab von den jeweiligen Produktionsverhältnissen, die in einem bestimmten geschichtlichen Zeitabschnitt vorherrschen.

Die kapitalistische Gesellschaft teilt sich wie frühere Klassengesellschaften in zwei grundlegende Klassen. Eine winzige Minderheit (weniger als 5 Prozent der Bevölkerung) besitzt und bestimmt über den Reichtum, der von Arbeitergenerationen der Vergangenheit geschaffen wurde. Die große Mehrheit ist gezwungen, für diese Minderheit zu arbeiten, weil sie vom Eigentum an Produktionsmitteln ausgeschlossen ist. Aber der Kapitalismus unterscheidet sich von früheren Klassengesellschaften in zwei wichtigen Punkten:

1. In der Sklaverei oder im Feudalismus war die Ausbeutung durchschaubar. Der mittelalterliche Leibeigene z.B. arbeitete einen Teil des Jahres auf seinem eigenen Land und einen Teil, besonders zur Erntezeit, auf dem Land des Grundherren. Oder er war verpflichtet, einen großen Teil der Erzeugnisse seines Landes dem Grundherren oder dem Priester oder dem Steuereintreiber zu übergeben. In beiden Fällen war die Lage klar, auch wenn er sich vielleicht nicht stark genug fühlte, daran etwas zu ändern. Ein Teil des Arbeitsprodukts wurde als Mehrprodukt von denen genommen, die die Macht dazu hatten. Die Arbeit der Leibeigenen und Bauern konnte aufgeteilt werden in die notwendige Arbeitszeit, erforderlich um zu produzieren, was sie und ihr Haushalt benötigten - und die Mehrarbeitszeit, in der diejenigen Güter hergestellt wurden, die von der herrschenden Klasse und ihren Lakaien genommen wurden. Diese Teilung zwischen notwendigerarbeitszeit und Mehrarbeitszeit tritt auch im Kapitalismus auf. Sie gibt uns das Maß für die von Marx so bezeichnete Ausbeutungsrate. Aber im Kapitalismus wird diese Teilung verschleiert durch den Umstand, daß die Arbeiter von der Steuerung der Produktion und Verteilung der Güter ausgeschlossen sind - und durch die Art, wie Arbeiter ihre Arbeitskraft verkaufen. Es ist unmöglich, direkt anzugeben, wieviel jemand von seiner Arbeitszeit für sich selbst arbeitet und wieviel für die Bosse und die herrschende Klasse insgesamt.

2. Der Kapitalismus ist ein einzigartig dynamisches und expansives System. Das heißt nicht, daß frühere Produktionsweisen sich nicht weiterentwickelten. Aber es gibt keinen Vergleich zum erstaunlichen Tempo des technischen Wandels im Kapitalismus - oder mit der Ausbreitung des Kapitalismus über die ganze Welt, mit der er sich alle anderen Produktionsweisen unterwirft.

Marx zollte dieser 'revolutionären' Rolle des Kapitalismus Tribut in einigen berühmten Passagen des Kommunistischen Manifests. Er schrieb (und das war im Jahr 1848): "Die Bourgeoisie hat in ihrer kaum hundertjährigen Klassenherrschaft massenhaftere und kolossalere Produktionskräfte geschaffen als alle vergangenen Generationen zusammen." Die Ursache für diese außergewöhnliche Rolle des Kapitalismus lag in dem Gebrauch, den die Kapitalisten von dem aus den Arbeitern herausgeholten Überschuß machten. Früher hatten die Eigentümer von Reichtum und Besitz im großen und ganzen das Mehrprodukt für sich selbst verbraucht oder zur Kriegsführung benutzt, um mehr Reichtum zu ergattern. Auch die Handelskapitalisten aus dem Florenz und dem Venedig der Renaissance widmeten den größten Teil ihrer Gewinne dem Erwerb von Land oder dem Bau schöner Paläste und Kirchen, die wir heute noch besichtigen können.

Im Gegensatz dazu waren die Kapitalisten der industriellen Revolution @ene Periode, als der Kapitalismus sich auf eigene Füße stellte) Erbauer von Fabrikhallen und Schornsteinen anstatt von Kunstwerken. Sie widmeten einen großen Teil des Überschusses nicht ihrem eigenen Verbrauch, sondern investierten erneut in die Produktion. Viele Leute definieren Kapitalismus einfach als eine Angelegenheit des Privateigentums. Das reicht nicht aus - denn erstens existierte das Privateigentum lange vor dem Kapitalismus, und zweitens ist heute klar, daß staatlich gelenkte Unternehmen (wie die nationale Kohlebehörde in Großbritannien) oder sogar ganze nationale Wirtschaften (wie in der ehemaligen DDR) den gleichen grundlegenden Gesetzen unterworfen sind wie der private Kapitalismus.

Andere behaupten, daß die Jagd nach Profit das wesentliche Merkmal des Kapitalismus ist.

Das kommt der Wahrheit näher, aber immer noch nicht nah genug. Die Athener Händler der griechischen Antike waren genauso hinter ihrem Profit her wie irgend jemand heute. In verschiedener Hinsicht handelten sie als Kapitalisten. Aber sie waren nicht Teil einer kapitalistischen Produktionsweise.

Wir können die Urspr-ünge des modernen Kapitalismus zurückverfolgen bis zur raschen Ausbreitung des Marktes, des internationalen Handels und Bankwesens im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert. Kapitalistische Verhältnisse wuchsen im Schoße des Feudalismus heran. Die Bourgeoisie konnte - im Unterschied zur Arbeiterklasse heute - Reichtum und Besitz ansammeln, bevor sie nach der politischen Macht griff (mit den Revolutionen 1641 in England und 1789 in Frankreich).

Aber der entscheidende Schritt zur Entstehung des Kapitalismus war, als das Kapital - der angesammelte Reichtum in den Händen der Bourgeoisie - die unmittelbare Herrschaft über den Produktionsprozeß ergriff (wie es die Athener Händler niemals getan hatten). Das wiederum setzte voraus, daß der Kapitalismus in der Lage war, die zwei entscheidenden Elemente der Produktion zusammenzubringen - auf der einen Seite die Produktionsmittel und auf der anderen die Arbeitermassen.

Damit Arbeit zur Verfügung stand, mußte sie von der Herrschaft der feudalen Landbesitzerklasse befreit werden. Arbeit mußte im doppelten Sinne frei sein frei, um ihre Arbeitskraft an den Meistbietenden zu verkaufen, aber auch "frei" vom Zugang zu den Produktionsmitteln - Land, Rohstoffe und Maschinen, die sonst die Arbeiter befähigt hätten, auf eigenen Rechnung zu arbeiten. In einer Hinsicht ist die Freiheit, die Arbeiter im Kapitalismus haben, sehr wirklich. Sie können von einem Arbeitgeber zum anderen wechseln. Ein Teil ihrer Zeit, außerhalb der Arbeit, gehört ihnen selbst (obwohl es kein Entkommen aus der kapitalistischen Herrschaft über Medien, Unterhaltung und Sport gibt). Sie sind imstande, sich gemeinsam zu organisieren (zur Not auch gegen staatliche Gesetze und Unterdrückung), und das in einer Weise, die in der Sklaverei und im Feudalismus nicht möglich war. Aber in einem mehr grundsätzlichen Sinn ist diese Freiheit eine Illusion. Arbeiter besitzen nur ihre Arbeitskraft. Um zu überleben, haben sie keine Wahl, als diese Arbeitskraft dem einen oder anderen Kapitalisten zu verkaufen. Die Herrschaft über die Produktionsmittel versetzt die Kapitalisten in die Lage, die Arbeitskraft der Arbeiter einzusetzen, um noch mehr Reichtum und Macht für sich selbst zu gewinnen.

Marx definierte Kapitalismus als "System der verallgemeinerten Warenproduktion". Diese Definition enthält zwei grundlegende Merkmale des Kapitalismus. Das eine ist der Verkauf der Arbeitskraft als Ware. Das andere ist der Wettbewerb zwischen den Kapitalen, der den Produktionsprozeß beherrscht und andauernd verändert. Bevor wir diese beiden Aspekte des Kapitalismus untersuchen, müssen wir einen Blick auf Marx'Analyse der"Ware" werfen, mit der er sein großes Werk über das Kapital eröffnete.

Eine Ware ist ganz einfach etwas, das ausschließlich für den Verkauf auf dem Markt hergestellt wird. Wieviel davon produziert wird, hängt in erster Linie davon ab, wieviel verkauft werden kann.

Wir leben heute in einer Welt, in der fast alles zur Ware geworden ist. Wir halten das für normal. Wir messen den Wert von Dingen daran, wieviel Geld sie kosten, und wir glauben sogar, daß nicht Arbeit, sondern Geld der Ursprung des Reichtums in der Gesellschaft ist.

Doch während des größten Teils der Geschichte der Menschheit wurden die meisten Dinge nicht als Waren hergestellt, sondern unmittelbar um menschliche Bedürfnisse zu befriedigen. Wieviel Arbeit für die Produktion verschiedener Güter aufgewendet werden sollte, wurde entweder gemeinschaftlich entschieden oder von einem örtlichen Herrscher oder Häuptling bestimmt. In einer warenproduzierenden Gesellschaft dagegen verteilt sich die Arbeit auf die verschiedenen Produktionszweige nach den Gesetzen des Marktes - je nachdem, ob ihre Produkte verkauft werden können und zu welchem Preis. Innerhalb jedes Betriebes oder Büros werden den Arbeitern die unterschiedlichen Aufgaben zugeteilt. Aber in der Gesamtwirtschaft gibt es keinen Plan, keine menschliche Steuerung.

Wenn produzierte Güter nicht verkauft werden können, ist die in ihnen enthaltene Arbeit verschwendet. Wenn zuviel produziert wird, fällt der Preis, und Firmen werden ihre Fabriken schließen, weil sie nicht mehr profitabel sind. Wenn es einen weltweiten "Überfluß" an Kohle gibt, werden Bergarbeiter zum alten Eisen geworfen. Und der ganze Produktionsprozeß hängt jetzt nicht mehr vom Bedürfnis nach Dingen ab, sondern von der Fähigkeit, sie zu verkaufen und zu kaufen. "Überflüssige" Kohle heißt nicht, daß es keine Menschen mehr gibt, die im Winter frieren - es bedeutet, daß diese Menschen nicht das Geld haben, um Kohle zu kaufen.

Kapitalismus als System der verallgemeinerten Warenproduktion vereint auf diese Weise Despotismus und Anarchie. Es gibt den Despotismus des Chefs in jeder Produktionseinheit, und es gibt die Anarchie des Marktes, den auch die größten Kapitalisten nicht kontrollieren können (auch wenn sie es hartnäckig versuchen, indem sie Monopole bilden oder sich der Hilfe des Staates bedienen).

Jede Ware verbindet notwendigerweise zwei Eigenschaften:

Gebrauchswert - ist ganz offensichtlich Ausdruck der Nützlichkeit einer Ware, des Grundes, warum Menschen sie benötigen oder haben wollen. Gebrauchswerte werden in allen Gesellschaften produziert. Der Gebrauchswert etwa von Brot ist heute derselbe wie in früheren Gesellschaften.

Tauschwert - beschreibt, wofür eine Ware verkauft werden kann. Im Stadium des Tauschhandels wird der Tauschwert eines Sacks voll Mehl vielleicht durch ein Paar Schuhe ausgedruckt, oder durch eine bestimmte Menge Wein oder was immer dafür eingetauscht werden kann. Heute werden Tauschwerte natürlich in Geldbeträgen ausgedruckt: Ein Sack Mehl wird soundsoviele Taler und Kreuzer oder Mark und Pfennige bringen.

Ob etwas einen Tauschwert hat oder nicht, hängt von den gesellschaftlichen Verhältnissen ab, in denen es hergestellt wird. Ein Brot, das im Ofen zuhause für den Eigenverbrauch gebacken wird, hat einen Gebrauchswert, aber keinen Tauschwert. Aber das gleiche Brot bekommt einen Tauschwert, wenn es hergestellt wird, um es auf dem Markt zu verkaufen. Auf jeden Fall gibt es keine Übereinstimmung zwischen Tauschwert und Gebrauchswert. Etwas kann sehr nützlich sein, wie der Sauerstoff in der Luft, und dennoch umsonst. Und etwas kann ziemlich unnütz sein, wie eine Atomrakete, und einen enormen Tauschwert haben.

Im Kapitalismus richtet sich die Produktion von Dingen nicht danach, wie nützlich sie sind, sondern wieviel Geld bei ihrem Verkauf herausspringt. Für bürgerliche Ökonomen wird der Wert einer Sache einfach in Geld gemessen. Wofür sie verkauft wird, das ist ihr Wert. Aber das läßt die Frage offen, was den Wert des Geldes bestimmt. "Was man dafür kaufen kann", ist keine gute Antwort, denn sie führt uns im Kreis her-um. Der einfachste Weg, aus dem Kreis herauszukommen, besteht darin, das Austauschverhältnis zunächst ohne Geld zu betrachten. Wenn z.B. ein Sack Mehl gegen ein Paar Schuhe getauscht wird, geht nicht bloß ein Austausch von Dingen vor sich. Es ist auch ein Tausch der Arbeitszeit des Müllers gegen die Arbeitszeit des Schusters. Der Austausch von Dingen in eine Form, in der die verschiedenen in der Gesellschaft ausgeführten Arbeiten miteinander in Beziehung gesetzt werden. Es ist eine gesellschaftliche Beziehung.

Zu einer Gesellschaft der verallgemeinerten Warenproduktion gehört eine ausgefeilte Arbeitsteilung. Eine ungeheure Vielzahl verschiedener Akte gemeinschaftlicher Arbeitstätigkeit wird nur durch den Mechanismus des Marktes miteinan- der verbunden. In einem solchen System wird Tauschhandel außerordentlich zeitraubend und unzweckmäßig. Angenommen, der Bäcker braucht gerade keine Schuhe? Oder wenn der Schuster nur eine kleine Menge Mehl möchte, deren Herstellung viel weniger Arbeit erfordert als die eines Paars Schuhe?

Die Ausbreitung der Warenproduktion geht deshalb Hand in Hand mit der Herausbildung einer besonderen Ware, die als Geld dient. Geld ist das "allgemeine Äquivalent". Es besitzt die Fähigkeit, gegen alles andere getauscht zu werden. Anstelle des Tauschverhältnisses 2 Säcke Mehl = 1 Paar Schuhe haben wir jetzt vielleicht 1 Sack Mehl = 50 Mark und 1 Paar Schuhe = 1 00 Mark.

Wir haben gesagt, daß der Tausch von Mehl gegen Schuhe auch ein Austausch der Arbeit des Müllers mit der des Schusters war. Wie verhält es sich damit jetzt? Der Schuster bekommt jetzt 100 Mark. Damit kann er den einen Sack Mehl kaufen, den er braucht, und er hat 50 Mark übrig, um etwas anderes zu kaufen. Das Geld, das er für die Schuhe bekommen hat, gibt ihm jetzt einen Anspruch nicht nur auf die Arbeit des Müllers, sondern auf irgend jemands Arbeit innerhalb der Gesellschaft, in der dieses Geld als Tauschmittel akzeptiert wird.

Geld gibt seinem Besitzer einen Anspruch auf die Arbeit, die in der Gesellschaft als Ganzes geleistet wird. Eine bestimmte Menge Geld ermöglicht uns, Güter zu kaufen, die eine entsprechende Menge Arbeitszeit enthalten.

Angenommen, 1 0 Mark entsprechen einer Stunde Arbeitszeit. Angenommen, der Schuster hat 60 Mark für Material ausgegeben und vier Arbeitsstunden gebraucht, um die Schuhe anzufertigen. Wenn er die Schuhe für 100 Mark verkauft, hat er sowohl seine Kosten gedeckt als auch 40 Mark zusätzlich bekommen, die der von ihm aufgewandten Arbeitszeit entsprechen. Mit den 40 Mark hat er einen Anspruch auf die Arbeit der Gesellschaft erworben, der seinem eigenen Beitrag zur gesamten Arbeitszeit entspricht. Geld stellt dar, was alle verschiedenen Arbeitstätigkeiten in der Gesellschaft gemeinsam haben. Es ist Ausdruck des Umstands, daß sie alle nicht direkt miteinander verknüpft sind, sondern indirekt durch die Anarchie des Marktes.

In dieser Welt ist es der Austausch von Sachen, der den menschlichen Produktionsprozeß beherrscht. Geld selbst erscheint als Ziel der Produktion und als Quelle des Wertes (das letzte Ziel des von Marx so bezeichneten Warenfetischismus). Aber Geld hat nur in dem Maße Wert, wie es einen Anspruch auf die Arbeit Anderer gibt. Gold auf einer verlassenen Insel ist völlig nutzlos. Sta@ pel von Banknoten sind wertlos, wenn es keine Produktion gibt.

Die Arbeit, die den durch Geld dargestellten Wert hervorbringt, hat eine besondere Eigenschaft. Marx nannte sie abstrakte Arbeit. Genau wie die Ware zwei Seiten hat, Gebrauchswert und Tauschwert, so hat auch die Arbeit, die diese Ware herstellt, zwei Seiten: konkrete Arbeit und abstrakte Arbeit.

Konkrete Arbeit gibt es in allen Gesellschaften. Der Ausdruck zielt auf den besonderen Charakter der Arbeit des Bäckers im Unterschied zu der des Schusters. Jede erfordert besondere Fertigkeiten und besteht aus bestimmten Arbeitsschritten, abhängig von der Art des hergestellten Gebrauchswertes.

Abstrakte Arbeit entsteht erst, wenn alle verschiedenen konkreten Arbeitstätigkeiten dem gemeinsamen Ziel unterworfen sind, die Ware auf dem Markt gegen Geld zu verkaufen. Der Begriff zeigt an, was alle diese Arbeiten gemeinsam haben - die Verausgabung menschlicher Arbeitszeit.

Arbeit ist nicht die einzige Quelle von Gebrauchswerten. Die Natur liefert Rohstoffe, auf die Arbeit angewendet wird. Aber die in Geld dargestellten Tauschwerte (oder Preise) sind eine menschliche Schöpfung. Der Austausch von Dingen ist Ausdruck des dahinter verborgenen Austausches von Arbeit. So sagte Marx, daß er den Tauschwert der Waren untersuchte, "um ihrem darin versteckten Wert auf die Spur zu kommen". (Tauschwert und Wert sind im "Kapital" nicht dasselbe, obwohl sie in vielen Arbeiten über dieses Thema zusammenoder durcheinandergeworfen werden). Dieser versteckte Wert kann nur in Einheiten abstrakter Arbeit gemessen werden.

Jede einzelne Ware enthält einen bestimmten Anteil der gesamten Arbeit, die in der Gesellschaft geleistet wurde, in der Güter ausgetauscht werden. Marx behauptet, daß dieser Wert (gemessen in Arbeitsstunden) langfristig den Preis der Waren bestimmt. Eine Ware, deren Herstellung viel Arbeit erfordert (einschließlich der notwendigen Arbeit für die Förderung der Rohstoffe und eines Teils der Arbeit, die für die Produktion der Werkzeuge oder Maschinen nötig war), wird mehr kosten als eine Ware, die sehr wenig Arbeit enthält. Ein handwerklich gefertigter Schuh wird mehr kosten als einer aus der Fließbandproduktion.

Aber diese Beziehung zwischen dem versteckten Wert und dem Preis, für den eine Ware tatsächlich verkauft wird, stellt sich nicht automatisch her. Niemand mißt unmittelbar den Wert und legt dann einen Preis fest. Kapitalisten berechnen ihre Kosten und schlagen dann eine Gewinnspanne dazu, von der sie glauben, daß sie sie erreichen können. Unter bestimmten Umständen, wenn die Kapitalisten eines Produktionszweiges ein Monopol bilden können, gelingt es ihnen vielleicht, den Preis ihrer Produkte über den Wert hinaufzuschrauben (die für die Ware erhaltene Geldsumme entspricht dann einem Anspruch auf mehr gesellschaftliche Arbeit als bei der Herstellung der Ware aufgewendet wurde). Ein Beispiel waren die Aktivitäten des OPEC-Kartells der ölproduzierenden Länder in den 70er Jahren (wobei allerdings auch die Ölkonzerne riesige Gewinne einstrichen). Unter anderen Umständen gibt es vielleicht ein Überangebot einer Ware. Wir haben das vor einigen Jahren beim Zinn gesehen. Zuviel Zinn war produziert worden, während die Nachfrage rückläufig war. Viel von dem Zinn konnte nicht verkauft werden, und die Preise brachen schließlich zusammen, was zur Schließung von Zinnbergwerken in Ländern wie Bolivien führte.

Marx machte zwei sehr wichtige Feststellungen dazu:

Erstens, wenn eine Ware über ihrem Wert verkauft wird, heißt das notwendigerweise, daß andere Waren unter ihrem Wert verkauft werden. Die Summe aller Preise entspricht dem Gesamtwert aller Waren (auch wenn Preis und Wert in bestimmten Fällen voneinander abweichen können).

Entsprechend kann ein Kapitalist oder eine Gruppe von Kapitalisten gelegentlich auf Kosten anderer gewinnen, indem sie ihre Preise hochtreiben oder indem sie Rohstoffe unter ihrem Wert einkaufen. So kamen die Extraprofite der OPEC auf Kosten anderer, Öl verbrauchender Kapitalisten zustande. Die Verluste der Zinnproduzenten wurden die Gewinne der Zinndosen-Hersteller. In der Summe gleichen sich diese Gewinne und Verluste wieder aus.

Zweitens jedoch behauptet Marx, daß wenigstens in den meisten Fällen der Druck der Konkurrenz zu einer Anpassung der Preise führt, die sie näher an den zugrundeliegenden"versteckten" Wert heranbringt. Wenn es ein Kartell oder ein Monopol gibt, das Extraprofite macht, werden schließlich neue Produzenten in den Markt einsteigen. Diese zusätzliche Produktion wird dazu führen, daß der Preis sinkt (wie dies in den 70er Jahren durch die in der Nordsee und anderswo erschlossenen Ölfelder geschah). Wenn jedoch der Preis einer Ware unter ihrem Wert liegt, werden die am wenigsten erfolgreichen Produzenten aus dem Geschäft gedrängt. Deshalb führt der Preisverfall bei Zinn zur Schließung von Bergwerken. Das beseitigt das Überangebot, und der Preis kann wieder steigen.

In der bürgerlichen Wirtschaftslehre wird dies alles als Anpassung von Angebot und Nachfrage abgehandelt. Aber das ist eine sehr oberflächliche Betrachtungsweise. Wenn Angebot und Nachfrage sich ausgleichen, wie entscheidet sich dann, daß eine bestimmte Ware wie ein Rolls Royce einen Haufen Geld kostet, während ein Kleinwagen vergleichsweise billig ist? Marx zeigte, daß der Schlüssel dazu in der Menge der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit liegt, die für die Herstellung einer Ware erforderlich ist. "Gesellschaftlich notwendige" Arbeitszeit drückt die Wirkung der Konkurrenz zwischen verschiedenen Produzenten im gleichen Industriezweig aus. Der Wert einer Ware, eines Paar Schuhe oder eines Autos, wird nicht dadurch bestimmt, wie lange die betreffenden Arbeiter tatsächlich brauchen, um sie herzustellen. Sie wird bestimmt durch die Arbeitsmenge, die bei Anwendung der verfügbaren Maschinerie und Technologie gesellschaftlich notwendig ist. Wenn langsam oder unzweckmäßig gearbeitet wird, zählt das nicht als wertschaffend.

Marx behauptete, daß Veränderungen des Wertes der Waren (gemessen in Stunden gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit) auf lange Sicht die hauptsächliche Ursache von Preisveränderungen seien. Es gibt dafür in der jüngsten Zeit einige augenscheinliche Beispiele. Der dramatische Preisverfall bei Rechnern, Mikrochips und anderen Elektronikprodukten ist ursächlich das Ergebnis des raschen Rückgangs der zur Herstellung diese Produkte notwendigen Arbeitszeit.

In dieser Gesellschaft scheint Geld die Fähigkeit zu haben, mehr Geld zu erzeugen. Wer das Glück hat, eine Menge Geld zu besitzen, braucht es nur zur Bank zu bringen oder Aktien dafür zu kaufen, und es wird scheinbar automatisch mehr werden. Aber von sich aus tut Geld nichts und kann nichts produzieren. Wo aber kommen dann die Zinsen, Dividenden und Profite her?

Da sie alle einen Zuwachs auf den in der ursprünglichen Geldsumme verkörperten Wert darstellen, können wir die Frage allgemeiner formulieren: Wie kann eine Wertsumme zusätzlichen Wert erzeugen - oder woher kommt der Mehrwert?

Das ist die grundlegende Fragestellung jeder ökonomischen Untersuchung des Kapitalismus. Bevor wir uns mit der Antwort beschäftigen, die Marx gegeben hat, lohnt es sich, zwei weitverbreitete Erklärungen zu betrachten, die bürgerliche Ökonomen lieferten: 1. "Kapital als Produktionsfaktor" wird als eigenständiger Beitrag zur Produktion gesehen - neben der Arbeit und dem Boden. In dieser Rechnung stellen die Löhne eine Entschädigung für die Arbeit dar, Pacht und Miete (Grundrente) für das Land, Profit für das Kapital - alles ganz passend für Landbesitzer und Kapitalisten.

Die naheliegende Frage ist: Woher kommt das Kapital ursprünglich? Wie kamen die Grundeigentümer zu ihrem Land? Woher nahmen die Kapitalisten das Geld für Maschinen und Produktionsmittel?

Es ist grundsätzlich abwegig, dem Land oder der Maschinerie einen selbständigen Beitrag zur Produktion zuzuschreiben. Land muß gepflügt und abgeerntet werden; Rohstoffe müssen aus dem Erdinneren gefördert werden; Maschinen und Werkzeuge müssen durch menschliche Arbeit hergestellt werden. Rohstoffe und Maschinen enthalten Wert. Sie sind das Produkt in der Vergangenheit verrichteter Arbeit und ihr Wert hängt ab von der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit, die zu ihrer Herstellung aufgewendet wurde wie bei allen Waren. Wenn sie in der Produktion verwendet werden, stellen sie tote Arbeit dar, die mit lebendiger Arbeit zusammengebracht werden muß, um irgend etwas zu produzieren.

Der in Maschinen enthaltene Wert geht Stück für Stück in den Wert der Endprodukte über, die mit ihrer Hilfe geschaffen werden. Die Kosten der ursprünglieben Investition müssen über den Preis der erzeugten Waren gedeckt werden. Aber das erklärt nicht, woher der Profit kommt oder wie das Kapital seinen Wert vermehrt.

2. "Profit aus dem Austausch". Eine andere verbreitete Idee besagt, daß die Kapitalisten ihre Profite aus geschicktem Handeln auf dem Markt beziehen. Sie kaufen billig und verkaufen teuer. Sie kaufen Waren unter ihrem Wert oder verkaufen sie für mehr als ihren Wert.

Tatsächlich kann ein Kapitalist auf diese Weise auf Kosten eines anderen ge- winnen, und das geschieht auch recht oft. Aber wenn eine Ware über ihrem Wert verkauft wird, muß eine andere unter ihrem Wert verkauft werden, wie wir schon gesehen haben. Wenn diese Gewinne und Verluste alle gegeneinander aufgerechnet werden, gleichen sie sich aus.

Das Geschäft des Handels, des Kaufens und Verkaufens von Waren, kann keinen zusätzlichen Wert schaffen. Die frühesten Kapitalisten - die Kaufleute und Bankiers des 15. und 16.Jahrhunderts - konnten erhebliche Gewinne allein aus dem Handel ziehen, aber diese hingen ab von dem Mehrprodukt, das die feudalen Grundbesitzer und die unabhängigen Handwerker der Städte erzeugten. Die Gewinne der Kaufleute wurden auf Kosten anderer Klassen der Gesellschaft gemacht. Sie verhielten sich wie Schmarotzer an den damals vorherrschenden Produktionsweisen.
Wir suchen deshalb immer noch nach der Quelle des Mehrwerts unter Verhältnissen, in denen der Kapitalismus selbst den Produktionsprozeß beherrscht. Der Schlüssel dazu liegt im Verkauf der Arbeitskraft als Ware durch die Arbeiter.

Marx erklärte, daß er zwar nicht die Existenz der Arbeiterklasse, aber das Geheimnis ihrer Ausbeutung entdeckt habe - den Unterschied zwischen dem Wert derarbeitskraft selbst und dem Wert, den die Arbeit im Produktionsprozeß erzeugt.

Der Wert der Arbeitskraft wird wie der jeder anderen Ware bestimmt durch die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, die zu ihrer Herstellung erforderlich ist. Er hängt deshalb ab von der Arbeitsmenge, die benötigt wird, um die grundlegenden Lebensmittel zu produzieren - Nahrung, Kleidung, Wohnung usw. nicht nur für den einzelnen Arbeiter, sondern auch für die nächste Arbeitergeneration.

Was hierfür als notwendig angesehen wird, ist umstritten. Manchmal sind die Löhne unzureichend (unter dem "Wert der Arbeitskraft"), um die Arbeiter gesund und produktiv zu erhalten. In anderen Fällen sind Arbeiterorganisationen vielleicht in der Lage, die Löhne über das hinaus zu steigern, was gesellschaftlich notwendig wäre. Aber in allen Fällen ist die Arbeitszeit, die benötigt wird, um den Wert der Arbeitskraft zu ersetzen, geringer als die unter dem Kommando des Kapitals geleistete Arbeit.

Das ist für die Arbeiter schwer zu erkennen. Sie bekommen am Ende des Monats Geld für die Anzahl der gearbeiteten Stunden. Aber die Arbeiterklasse als Ganzes bekommt Geld, das sie nur in die Lage versetzt einen Teil dessen zu kaufen, was produziert wurde. Der Anspruch auf die Arbeit anderer - der als Lohn ausgezahlt wird - ist geringer als die geleistete Arbeit.

Das Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen betrug 1992 in West-Deutschland 94 1 00 DM. Das sind knapp 8000 DM im Monat. Wer weniger bekommt, erhält auf jeden Fall weniger als den Wert, den seine Arbeit schafft. Und das ist die große Mehrheit!

Arbeiter verbringen einen Teil ihrer Arbeitszeit damit, für sich und ihre Kinder zu arbeiten. Das ist notwendige Arbeitszeit. Aber den Rest der Zeit arbeiten sie für ihren Boß und für die herrschende Klasse insgesamt. Das ist die Mehrarbeitszeit, in der sie zum großen Topf des gesellschaftlichen Mehrwerts beitragen (dazu gehören die Zinsen, die an Darlehensgeber gehen, und die Steuern, die der Staat vereinnahmt und für Waffen, Ausbildung und Polizei ausgibt).

Wie in allen Klassengesellschaften bildet das Verhältnis der Mehrarbeitszeit zur notwendigen Arbeitszeit den Maßstab der Ausbeutungsrate. Im Kapitalismus allerdings kann dieses Verhältnis in Wertbegriffen ausgedruckt werden:

Mehrarbeitszeit / notwendige Arbeitszeit = Mehrwert / Wert der Arbeitskraft (M / v)

Wenn der Arbeiter also 20 Stunden pro Woche mit notwendiger Arbeit verbringt und 20 Stunden mit Mehrarbeit, beträgt die Ausbeutungsrate 20 / 20 oder 1 00 Prozent.

Die Bewegungsgesetze des Kapitalismus

Für bürgerliche Wirtschaftswissenschaftler ist jede Art von Werkzeug oder Maschine Kapital, egal in welchen gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen dieses Werkzeug zur Anwendung kommt. Marx ging völlig anders an die Frage heran: "Ein Neger ist ein Neger. In bestimmten Verhältnissen wird er erst zum Sklaven. Eine Baumwollspinnmaschine ist eine Maschine zum Baumwollspinnen. Nur in bestimmten Verhältnissen wird sie zu Kapital."

Ein Kapitalist ist nicht einfachjemand, der Waren verkauft. Sein Ziel ist, nachher mehr Geld zu haben als vorher. Der selbständige Schuster verkauft seine Erzeugnisse, um sich die Waren zu kaufen, die er benötigt. Das kann man in der Formel W-G-W darstellen (Waren werden für Geld verkauft, um andere Waren zu beschaffen).

Die Zirkulationsform des Kapitals, wie Marx es nannte, beginnt nicht mit Waren, sondern mit Geld. Sie lautet G-W-G' (eine Geldsumme wird zum Ankauf von Waren verwendet, die anschließend für eine größere Geldsumme verkauft werden). Wenn wir noch etwas näher hinsehen: Ein Kapitalist gibt Geld aus, um Waren zu beschaffen (Rohstoffe, Werkzeuge, Fabriken und die Arbeitskraft von Arbeitern), die dann zur Produktion (P) anderer Waren eingesetzt werden, die wiederum für eine größere Geldsumme verkauft werden als jene, die der Kapitalist ursprünglich eingesetzt hat - also G-W-P-W'-G'.

Auf diese Weise zeigt sich das Kapital als ein dynamisches Wesen, ständig auf der Suche nach Profit. Deshalb konnte Marx das Kapital als "sich selbst verwertenden Wert" beschreiben.

Es sind nicht nur Produktionsmittel, die in diesem Prozeß in Kapital verwandelt werden. Die Arbeitskraft selbst wird vom Kapital gekauft - und im Produktionsprozeß verbraucht. Das läßt uns zwischen zwei Arten von Kapital unterscheiden:

Konstantes Kapital: Geld, das für die Beschaffung von Rohstoffen, Ausrüstung, Gebäuden, Maschinerie usw. verwendet wird. Es wird als "konstant" bezeichnet, nicht etwa, weil seine Größe immer gleichbleibt (im Gegenteil kann es sehr schnell anwachsen), sondern weil sein Wert sich im Produktionsprozeß nicht erhöht. Die Größe des konstanten Kapitals zeigt die Menge der "toten Arbeit" an, die im Produktionsprozeß eingesetzt wird.

Variables Kapital: Geld, das für den Ankauf von Arbeitskraft verwendet wird. Es heißt variabel, weil allein dieser Teil des Kapitals zusätzlichen Mehrwert erzeugt. Wieviel Mehrwert jedoch, das hängt davon ab, wie hart und wie produktiv die Arbeiter tatsächlich arbeiten.

Auch wenn Arbeit die einzige Quelle des Mehrwerts ist, müssen die Profite auf die Gesamtmasse des investierten Kapitals berechnet werden. So bestimmt sich die Profitrate als Verhältnis des Mehrwerts (m) zur Summe von konstantem (Dund variablen (v) Kapitals, oder Profitrate p' = m / (c + v).

Das gilt wohlgemerkt für die Kapitalistenklasse als Ganzes oder das gesellschaftliche Kapital, wie Marx es bezeichnet. Einzelne Kapitale können auf Kosten ihrer Konkurrenten einen größeren Anteil des gesamtgesellschaftlichen Mehrwerts einstreichen. Ihre Profite können nicht nur von den bei ihnen tatsächlich beschäftigten Arbeitern kommen, sondern auch von Arbeitern, die von anderen Kapitalen beschäftigt werden (genau wie die frühen Handelskapitalisten sich einen Teil des Mehrprodukts unter den Nagel rissen, das die Bauern für die Landbesitzer geschaffen hatten).

Das Gleiche gilt auch umgekehrt. Wenn eine Firma Güter herstellt, die nicht wettbewerbsfähig sind, die nur wenig Profit bringen oder Oberhaupt nicht verkauft werden können - das bedeutet nicht, daß die Arbeiter dieser Firma nicht ausgebeutet werden. Sie haben trotzdem Mehrarbeitszeit geleistet. Sie haben Güter produziert, die Mehrwert enthalten. Aber wenn die Firma Verlust macht, heißt das, daß der Mehrwert nicht realisiert wurde. Der Mehrwert wurde nicht in tatsächlichen Profit für den Kapitalisten verwandelt.

Die Gewinne und Verluste, die einzelne Kapitale im Wettbewerb machen, sind für die Funktionsweise des Systems durchaus wichtig. Aber sie untergraben nicht die Marx'sche Analyse, daß das Kapital insgesamt von dem durch Arbeiter erzeugten Mehrwert abhängt.

Das Kapital ist, wie wir gesehen haben, auf die Ausdehnung des Mehrwerts angewiesen. Aber Mehrwert ist Mehrarbeitszeit, jener Anteil des Arbeitstages, der dem Kapitalisten zugute kommt. Mehrwert kann deshalb hauptsächlich in zwei Formen wachsen - durch Verlängerung des Arbeitstages oder durch Verkleinerung jenes Anteils des Tages, währenddessen die Arbeiter für sich selbst arbeiten.

Absoluter Mehrwert: Das war Marx'Ausdruck für Erhöhung des Mehrwerts durch Verlängerung des Arbeitstages. In der Frühzeit des Kapitalismus war dies das Hauptmittel, um die Ausbeutung zu steigern.

Anstatt verlängert kann der Arbeitstag auch verdichtet oder intensiviert werden, indem Pausen gekürzt und die Arbeiter angehalten werden, die Arbeit nicht für eine Minute ruhen zu lassen. Aber dem sind Grenzen gesetzt: Gesundheit und Produktivität der Arbeiter leiden darunter, wenn sie zu hart arbeiten müssen. Die Arbeiter selbst haben viele lange Kämpfe ausgefochten, um Beschränkungen der Länge des Arbeitstages durchzusetzen.

Relativer Mehrwert: Das bedeutet Steigerung des Mehrwerts durch Verkürzung der "notwendigen" Arbeitszeit. Auf diese Weise erhöht sich der Anteil des Arbeitstages, der der Produktion von Mehrwert gewidmet ist.

Dies kann geschehen, indem die Kapitalisten den Lebensstandard der Arbeiter herunterdrücken. Aber wie bei der Verlängerung des Arbeitstages gibt es auch hier Grenzen, die durch die Notwendigkeit, eine gesunde und produktive Arbeiterschaft zu erhalten, und durch die Existenz von Arbeiterorganisationen gesetzt werden.

Für den fortgeschrittenen Kapitalismus besteht deshalb die wichtigste Quelle steigenden Mehrwerts in der Erhöhung der Arbeitsproduktivität. Produktivitätssteigerung bedeutet, daß der Wert der Waren fällt, die die Arbeiter benötigen (für ihre Herstellung wird weniger Arbeitszeit gebraucht), und das heißt, daß der Wert der Arbeitskraft fällt. Die Menge der Güter, die der Arbeiter bekommt, mag gleichbleiben oder sogar wachsen, aber der Anteil der Arbeitszeit, der für ihre Herstellung notwendig ist, geht zurück.

Die Produktivitätssteigerungen ergeben sich in erster Linie aus der Mechanisierung der Produktion und der Einführung neuer Produktionstechniken. Das werden wir noch näher untersuchen. Aber merke: Es ist nicht der Anstieg der Produktivität an sich, der den relativen Mehrwert erhöht. Für das gesellschaftliche Kapital müssen Produktivitätssteigerungen einen Rückgang des Wertes der Arbeitskraft bewirken (oder einen erhöhten Anteil der Produktion, der ans Kapital geht), damit die Masse des Mehrwerts steigt.

Im letzten Abschnitt ging es darum, wie der Mehrwert für das Kapital als Ganzes erhöht werden kann. Aber für einzelne Kapitalisten bringt Erhöhung der Produktivität einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Konkurrenten. Zumindest auf kurze Sicht kann ihnen das größere Profite bringen oder einen größeren Anteil des gesamten Mehrwerts.

Die ständige Jagd nach Wettbewerbsvorteilen als Mittel für höhere Profite ist der Dreh- und Angelpunkt der kapitalistischen Entwicklung. Konkurrenz gab es auch vor dem Kapitalismus. Mittelalterliche Grundbesitzer schlugen sich um Land, und frühkapitalistische Händler wetteiferten um die Kontrolle über verschiedene Märkte. Aber erst, als der Kapitalismus den Produktionsprozeß selbst in die Hand nahm, wurde die Konkurrenz unausweichlich. Die Verbilligung der Waren durch Produktivitätssteigerungen wurde zur schärfsten Waffe im Konkurrenzkampf.

Mit der industriellen Revolution in England wurden die Arbeiter in Fabriken konzentriert, einer extremen Teilung der Arbeit ausgesetzt und dem Rhythmus der Maschinerie unterworfen. Die nie vorher dagewesenen Produktivitätsfortschritte ermöglichten es der Baumwollindustrie der Grafschaft Lancashire, die Märkte der Welt zu überschwemmen. Diejenigen, die wie die Handweber in England oder die indischen Tuchmacher an den alten Produktionsmethoden festhielten, konnten nicht mit der Senkung der Produktionskosten mithalten, die durch die Maschinerie ermöglicht wurden. Viel von ihrer Arbeitszeit hörte auf, gesellschaftlich notwendig zu sein. Schließlich verschwanden sie von der Bildfläche.

Die Kapitalisten, die als erste die neuen Produktionsmethoden einführten, machten enorme Gewinne. Aber wie so oft waren auch diese Profite nicht von Dauer. Die Maschinerie wurde für alle zugänglich. In Großbritannien und anderswo stiegen hunderte neuer Mitbewerber in das Geschäft ein, die ebenfalls die neuen Produktionsmethoden anwandten. Als mehr und mehr Baumwollwaren auf den Markt geworfen wurden, begann der Preis rasch zu fallen.

Hintergrund dieses Preisverfalls war der Fall der "gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit" für die Herstellung von Baumwollwaren. Die Ersten mit den neuen Produktionsmethoden konnten die Produkte noch über ihrem neuen Wert verkaufen. Sie konnten Extraprofite einstreichen. Aber als die neuen Produktionsmethoden verallgemeinert wurden, fielen die Preise und die Extraprofite verschwanden.

In der Geschichte der Baumwollindustrie des 18. und 19 Jahrhunderts, die Marx gründlich studierte, finden wir die Ursachen für die Auf- und Abschwünge des Kapitalismus. Die Art und Weise, in der die neuen Techniken zunächst für steigende Profite sorgen, aber dann verallgemeinert werden und damit Preisverfall und Rückgang der Profite bewirken, enthält den Schlüssel zum" tendenziellen Fall der Profitrate

Der Druck der Konkurrenz bewirkt, daß kein Kapitalist es sich leisten kann, eine Pause einzulegen. Wenn es ihm nicht gelingt, die Produktivität seiner Belegschaft zu halten, dann läuft er Gefahr, auf dem Markt ausgestochen zu werden. Der Umsatz würde fallen, die Profite zurückgehen, und er stünde bald vor der Pleite oder vor der Übernahme durch die Konkurrenz.

Die Drohung, ins Hintertreffen zu geraten, zwingt jeden Boß zur größtmöglichen Ausbeutung seiner Arbeiter. Aber sie zwingt ihn auch, einen Teil des Mehrwerts wieder in den Produktionsprozeß zu investieren. Sie müssen weiter expandieren und die jeweils neusten Produktionstechniken anwenden.

Die Kapitalisten sind gezwungen, ihren Mehrwert als zusätzliches Kapital zu akkumulieren, d.h. anzuhäufen. Das ist das hervorstechendste Merkmal der kapitalistischen Produktionsweise. Natürlich verschwindet ein gutes Stück des Profits in den Taschen der Vorstände und der Aktionäre. Die Kapitalisten achten schon darauf, daß sie selbst nicht zu kurz kommen. Aber wenn sie im Vergleich zu ihren Konkurrenten zuviel von ihrem Profit konsumieren, wird irgendwann ihre Produktivität hinterherhinken.

"Die Konkurrenz", schrieb Marx, "herrscht jedem individuellen Kapitalisten die immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktionsweise als äußere Zwangsgesetze auf. ... Akkumuliert, akkumuliert! Das ist Moses und die Propheten! ... Akkumulation um der Akkumulation, Produktion um der Produktion willen."

Dieser Zwang zu akkumulieren ist die Grundlage für die große historische Errungenschaft des Kapitalismus - die Ausdehnung der Produktivkräfte. Die Investition des Mehrwerts ermöglicht das rasche Wachstum, das der Kapitalismus in bestimmten Perioden bewerkstelligen kann. Sie fördert auch die wiederkehrenden Schübe wissenschaftlich-technischer Erneuerung und ermöglicht deren Umsetzung in der Produktion. Akkumulation ist auch die Grundlage für einige der wichtigsten Wandlungen, denen das Systems seit seiner Entstehung unterworfen ist:

Konzentration und Zentralisation des Kapitals: Konzentration bedeutet einfach die Vergrößerung der einzelnen Kapitale durch Investition der eigenen Profite. Zentralisation jedoch meint das Aufgehen kleiner Firmen in einem großen Konzern.

Die Schwachen und Erfolglosen gehen im Kapitalismus unter. Ihr Besitz wird von den Konkurrenten billig aufgekauft. Durch die Entwicklung der Börse und die Verfügbarkeit großer Bankkredite sind sogar große Gesellschaften der Gefahr von Übernahmen ausgesetzt.

Wie wir im 20. Jahrhundert gesehen haben, wird das Kapital schließlich in den Händen von einigen hundert großen Gesellschaften konzentriert, die jede große Nationalwirtschaft beherrschen. Wir sehen die Herausbildung des sogenannten "Monopolkapitals".

Der Aufstieg von Monopolen scheint das Verschwinden der Konkurrenz mit sich zu bringen. In einigen Industriezweigen und in einigen Ländern ist das bis zu einem gewissen Grad geschehen. Die Standard Oil Company der Rockefellers war in der Lage, die gesamte Industrie der USA im Griff zu halten (und selbst als sie von Staats wegen in getrennte Firmen aufgeteilt wurde, trafen diese heimlich Absprachen über Preise und Marktanteile). Aber die Konkurrenz ist nicht verschwunden. Sie hat nur ihren Charakter geändert. Insbesondere ist sie internationalisiert worden. Das kommt von einer anderen grundlegenden Tendenz des Kapitalismus, der Entwicklung einer Weltwirtschaft.

Der Aufstieg des Weltmarkts: Von Anfang an war der Kapitalismus ein System, das über nationale Grenzen hinausging. Handelskapital erzielte seine größten Profite aus dem internationalen Handel. Die Einfuhr von Silber aus den spanischen Kolonien in Lateinamerika half, die große wirtschaftliche Expansion im Europa des 16. Jahrhunderts zu finanzieren. Die enormen Profite britischer Sklavenhändler und Plantagenbesitzer sorgten für die "ursprüngliche Akkumulation" des erforderlichen Kapitals für die industrielle Revolution.

Aber das rasche Wachstum der Produktivität als Ergebnis der Mechanisierung und Fabrikproduktion machte Verkäufe auf dem Weltmarkt unumgänglich. Im 19. Jahrhundert konnte die Grafschaft Lancashire bis zum Frühstück genug

Baumwolle produzieren, um die britischen Arbeiter zu kleiden. Während des restlichen Tages versorgte sie die Welt.

Eine internationale Arbeitsteilung entstand. Alle nationalen Wirtschaften, auch die größten, wurden voneinander abhängig. Die Länder, die das Glück hatten, zuerst industrialisiert zu werden, errangen die wirtschaftliche und militärische Macht, andere zu kolonisieren. Ganze Nationalwirtschaften wie z.B. Indien wurden auf die Aufgabe ausgerichtet, die Industriezentren der Kolonialmächte mit Rohstoffen zu versorgen.

Heute nimmt die internationale Arbeitsteilung eine andere Form an. Riesige multinationale Gesellschaften sind entstanden, die nicht nur in vielen Ländern verkaufen, sondern auch produzieren. Einige Branchen wie etwa die Elektronikindustrie haben die Verlagerung des Produktionsprozesses in frühere Kolonien erlebt, auf der Suche nach billigerer Arbeit und Wettbewerbsvorteilen.Die Konzentration der Ressourcen und Profite in den Händen einiger Weniger hat ein Ausmaß erreicht, von dem Marx nicht zu träumen wagte. Aber dadurch wurde weder die Konkurrenz noch die Anarchie des Systems beseitigt. Im Gegenteil, im Weltmaßstab ist die Konkurrenz schärfer als jemals zuvor. Kein Land kann der Anarchie entfliehen, die von der weltweiten Krise entfesselt wird.

Mit anderen Worten, die Akkumulation bringt auch krasse Widersprüche hervor. Sie erklärt nicht nur die rasche Ausdehnung des Systems, sondern auch die chronischen Krisen, in die der Kapitalismus verfällt.

In den Augen der Befürworter des Kapitalismus kommt die Akkumulation allen zugute. Tatsächlich hat zumindest in den fortgeschrittenen Ländern die Ausdehnung des Kapitalismus auch steigenden Lebensstandard für die Arbeiter gebracht. Aber ihr Anteil an der Produktion ist nicht gestiegen. Die Ausbeutungsrate ist nicht gesunken. Macht und Reichtum der Kapitalistenklasse sind noch stärker angewachsen.

So faßt Marx in einem der stärksten Abschnitte des "Kapital" die Auswirkungen der Akkumulation zusammen: "...innerhalb des kapitalistischen Systems vollziehen sich alle Methoden zur Steigerung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit auf Kosten des individuellen Arbeiters; alle Mittel zur Entwicklung der Produktion schlagen um in Beherrschungs- und Exploitationsmittel des Produzenten, verstümmeln den Arbeiter in einen Teilmenschen, entwürdigen ihn zum Anhängsel der Maschine, vernichten mit der Qual seiner Arbeit ihren Inhalt, entfremden ihm die geistigen Potenzen des Arbeitsprozesses im selben Maße, worin letzterem die Wissenschaft als selbständige Potenz einverleibt wird; sie verunstalten die Bedingungen, innerhalb deren er arbeitet, unterwerfen ihn während des Arbeitsprozesses der kleinlichst gehässigen Despotie ... Es folgt daher, daß im Maße wie Kapital akkumuliert, die Lage des Arbeiters, weiches immer seine Zahlung, hoch oder niedrig, sich verschlechtern muß ... Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Degradation auf dem Gegenpol, d.h. auf der Seite der Klasse, die ihr eignes Produkt als Kapital produziert."

Der tendenzielle Fall der Profitrate

Der Grundwiderspruch der Akkumulation besteht darin, daß sie gerade jenen Faktor untergräbt, der sie anstachelt, nämlich die Profitrate.

Die Profitrate für das gesellschaftliche Gesamtkapital ist das Verhältnis des gesamten Mehrwerts zum gesamten eingesetzten Kapital, ausgedruckt in der Gleichung p'= m/(c+v). Daraus folgt, daß die Profitrate von zwei bestimmenden Verhältnissen abhängt. Eines ist die Ausbeutungsrate. Das andere ist das Verhältnis des konstanten zum variablen Kapital, das Marx als "organische Zusammensetzung des Kapitals" bezeichnete. Marx behauptete, daß auf lange Sicht ein Anstieg der organischen Zusammensetzung des Kapitals zu einem Rückgang der Profitrate führen würde.

Die organische Zusammensetzung des Kapitals wird allgemein ausgedruckt als c/v (oder als c/(c+v), der Anteil des konstanten Kapitals am gesamten Kapital). Akkumulation von konstantem Kapital ist auch ohne Anstieg der organischen Zusammensetzung möglich, sie muß nur durch das Wachstum des variablen Kapitals ausgeglichen werden, d.h. durch eine steigende Zahl beschäftigter Arbeiter. Aber wenn das geschieht, wird der Kapitalismus die verfügbare Arbeitskraft bald ausgeschöpft haben und er wird unter steigenden Löhnen leiden, wenn die Einzelkapitale untereinander um Arbeiter konkurrieren.

In Wirklichkeit führt der Konkurrenzdruck zum Einsatz neuer Technologien, die Arbeiter durch Maschinen ersetzen. Dabei wird die industrielle Reservearmee aufgefüllt, weil nun weniger Arbeiter benötigt werden, um die gleiche Warenmenge zu produzieren (wenn die Akkumulation allerdings schnell genug vonstatten geht und die Produktionsmenge erheblich wächst, können diese Arbeiter anderswo beschäftigt werden, und die Arbeitslosigkeit muß nicht steigen).

Die Mechanisierung bringt auch Produktivitätssteigerungen mit sich, die einen Rückgang der notwendigen Arbeitszeit ermöglichen bzw. ein Wachstum des relativen Mehrwerts.

Aber diese Vorteile für das Kapital haben ihren Preis. Die organische Zusammensetzung des Kapitals neigt zum Wachsen. Die Menge toter Arbeit, verkörpert in Ausrüstungen, Maschinen und Gebäuden, wächst im Verhältnis zur Beschäftigung lebendiger Arbeit. Aber tote Arbeit kann aus sich heraus keinerlei Mehrwert erzeugen. Die Profitrate wird deshalb fallen, es sei denn, die Ausbeutungsrate steigt und die Masse des Mehrwerts wächst - und selbst das könnte unzureichend sein.

Wir nehmen ein künstliches Beispiel, nur um ein paar Zahlen zu haben. Wir denken uns eine Fabrik. Das konstante Kapital (Gebäude, Anlagen usw.: c) beträgt 60 Millionen und das variable Kapital (die Kosten für die Belegschaft: v) ebenfalls 60 Millionen. Daraus gewinnt der Kapitalist einen Mehrwert (m) von 30 Millionen. Die gesamte "lebendige Arbeit" beträgt also 90 Mio (v + m = 60 + 30); die Ausbeutungsrate liegt bei 50 Prozent (m/v = 30/60), und die Profitrate ist 25 Prozent (p' = m/(c+v) oder 30/(60+60).

Jetzt nehmen wir an, daß das konstante Kapital sich durch Investitionen in neue Technologien auf 70 Mio erhöht, während die Belegschaft verkleinert wird, was das variable Kapital auf 50 Mio verringert. Vorausgesetzt, daß die Ausbeutungsrate mit 50 Prozent gleichbleibt, ergibt das einen Mehrwert von 25 Mio. Die Profitrate wird demnach gefallen sein: p'=m/(c+v) ist jetzt 25/(70+50) oder 21 Prozent.

Der Kapitalist kann das natürlich durch eine Erhöhung der Ausbeutungsrate ausgleichen - aber in Wirklichkeit wird das schwierig sein, wenn die Akkumulation in der Wirtschaft insgesamt rasch voranschreitet. Wenn das System gut läuft, ist die Arbeitslosigkeit wahrscheinlich niedrig, und die Arbeiter sind gut organisiert und können Angriffe abwehren.

(In diesem Sinn, durch die Abwehr von Versuchen, die Ausbeutungsrate zu erhöhen, wenn die Profitrate fällt, können Arbeiter zu den Schwierigkeiten des Kapitalismus beitragen. Das bedeutet jedoch weder, daß Arbeiterkämpfe für Krisen verantwortlich sind, noch daß der Kapitalismus seinen Widersprüchen entkommen kann, wenn die Arbeiter auf Gegenwehr verzichten.)

Aber warum, so lautet ein verbreiteter Einwand, investieren die Kapitalisten gerade so, daß die organische Zusammensetzung steigt, wenn das ihre Profitrate schädigt? Die Antwort liegt im Charakter der Konkurrenz.

Die ersten Kapitalisten, die in eine neue Technik investieren, gewinnen einen Vorsprung vor ihren Konkurrenten. Aber wenn die Technik sich bei allen Wettbewerbern verbreitet hat, setzt sich die neue gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit durch. Der Wert der Ware fällt und die zeitweiligen Extraprofite verschwinden. Im Endergebnis ist die organische Zusammensetzung des Kapitals gestiegen, und die Durchschnittsprofitrate fällt.

In derjüngsten Zeit hat die Mikroelektronik- und Computer-Industrie ein klassisches Beispiel für diesen Prozeß geliefert. Die Firmen, die zuerst am Markt waren, machten riesige Profite. Aber als die Produktionskapazität der Branche wuchs, und mehr Konkurrenten die Arena betraten, brachen die Preise dramatisch zusammen. Die Profitrate sank, und die schwächsten Firmen (z.B. Nixdorf) gingen unter.

Einzelne Kapitale glauben, daß sie ihre Profite durch neue Technologie steigern können. Als einzelne können sie das auch. Aber die Verfolgung ihrer individuellen Wettbewerbsziele bewirkt, daß die gemeinsamen Ziele aller Kapitalisten untergraben werden. Das ist genau, was Marx mit der widersprüchlichen Natur des Kapitalismus meinte.

Dies bedeutet nicht, daß die Profitrate in der Geschichte de Kapitalismus kontinuierlich fällt. Wäre das der Fall, dann wäre das System schon längst zum Stillstand gekommen. Marx selbst erwähnte eine Reihe von "entgegenwirkenden Ursachen".

Entgegenwirkende Ursachen

Eine außergewöhnliche Steigerung der Ausbeutungsrate, die den Lebensstandard der Arbeiter herabdrückt, ist ein Beispiel für einen Umstand, der dem Fall der Profitrate entgegenwirkt. Zugang zu billigen Rohstoffen durch Außenhandel ist ein anderes. Am wichtigsten (und am meisten umstritten) ist die Verbilligung oder "Entwertung" des konstanten Kapitals selbst.

Zunehmende Produktivität in den Industriezweigen, die Produktionsmittel wie Maschinen oder Rohstoffe herstellen, verursacht einen Rückgang des Werts ihrer Erzeugnisse, wie in jeder Branche. Dieser Rückgang bedeutet nicht nur, daß Produktionsmittel billiger werden. Er bewirkt auch, was Marx den "moralischen Verschleiß" bereits in der Nutzung befindlichen konstanten Kapitals nannte. Kapitalisten, die ältere und teurere Maschinerie in Betrieb haben, sehen sich Konkurrenten mit neuerer und billigerer Ausrüstung gegenüber. Sie erleiden einen Wettbewerbsnachteil. Die ältere Maschinerie ist einer erzwungenen Entwertung unterworfen (ein Teil ihres Werts muß abgeschrieben werden, geradeso wie Arbeitszeit, die über das gesellschaftlich Notwendige hinausgeht, abgeschrieben werden muß). Dies vermindert den Wert des konstanten Kapitals, wirkt seiner Neigung zum Anwachsen entgegen - und den daraus folgenden Wirkungen auf die Profitrate.

Aber diese Entwertung stellt für die betroffenen Firmen einen Verlust des Kapitalwertes dar. Aus diesem Grund wird sie ihre Schwierigkeiten vergrößern, wenigstens kurzfristig.

Es gibt hier Parallelen zum Anwachsen der Arbeitslosigkeit oder der industriellen Reservearmee, wie Marx sie nannte. Zunehmende Arbeitslosigkeit hilft den Kapitalisten bei ihrer Offensive gegen die Organisation der Arbeiter in der Produktion, und auf trägt auf diese Weise zur Produktion von potentiellem Mehrwert bei. Aber zumindest auf kurze Sicht erhöht die Arbeitslosigkeit die Probleme der Kapitalisten beim Verkauf ihrer Produkte, oder bei der Realisierung des Mehrwerts.

So gibt es für den Kapitalismus keinen einfachen Ausweg aus seinen Schwierigkeiten. Es ist wichtig zu verstehen, daß die Wirkung der "entgegenwirkenden Ursachen" in Krisenzeiten am stärksten ist. Wenn das System sich rasch ausweitet, und die Akkumulation hohes Tempo hat, behält das Wachstum der organischen Zusammensetzung des Kapitals die Oberhand über die entgegenwirkenden Tendenzen. Im Ergebnis fällt die Profitrate.

Krisen jedoch können dem Kapitalismus zumindest zeitweise über seine Problem hinweghelfen.

Bevor wir uns näher mit Krisen beschäftigen, lohnt es sich, noch einen anderen Aspekt des Systems zu betrachten - die Rolle der Banken.

Banken und das Kreditsystem

Der von den Arbeitern erzeugte Mehrwert ergibt nicht bloß die Profite der industriellen Kapitalisten. Teile davon gehen als Miete oder Pacht an die Grundbesitzer, als Steuern an den Staat, als Zinsen an Banken und Geldanleger.

Die industriellen Kapitalisten sind bereit, den Banken und anderen Finanzinstitutionen einen Teil der Beute abzutreten, weil diese eine nützliche Rolle im System spielen. Die Kapitale müssen große Geldsummen anhäufen, bevor sie investieren können. Bis dieser Punkt erreicht ist, können sie ihre Überschüsse bei der Bank deponieren - und Kapitale, die bereit sind zu investieren, aber noch nicht genug Geld haben, können es ausleihen.

Das Bankensystem hilft tatsächlich, den Prozeß der Akkumulation zu beschleunigen. Das geschieht, indem das Geld von denen, die mit Investitionen zögern, umgeleitet wird zu denen, die willens sind, zu investieren. In den 70er Jahren beispielsweise bekamen die westlichen Banken Geld von den Ölländern des Nahen Ostens und von Firmen, die wegen des Konjunkturabschwungs nicht investieren mochten, und verliehen es an Regierungen in Ländern wie Brasilien, Mexiko und Polen.

Diese Darlehen halfen, die Weltwirtschaft für eine Zeitlang zu stützen. (Die drei genannten Länder hatten nach wenigen Jahren allerdings große Schwierigkeiten, ihre Zinsen zu zahlen, geschweige denn Rückzahlungen zu leisten. Das internationale Kreditsystem geriet Anfang der 80er Jahre in eine ernsthafte Krise.)

Banken sind mächtige Institutionen. Sie helfen, die Zentralisation des Kapitals zu großen Monopolen zu beschleunigen. Sie tragen auch dazu bei, die schwachen, verlustreichen Kapitale in die Pleite zu treiben, wenn sie ihnen Kredite sperren.

Wenn ein Aufschwung seinen Höhepunkt erreicht, steigt der Zinssatz für Darlehen. Die Nachfrage nach Investitionsdarlehen wächst. Die Erwartung zukünftiger Profite nährt Spekulationsgeschäfte an der Börse und im Warenhandel. Kapitalisten sind bereit, auf steigende Profite und Preise zu setzen, die es ihnen ermöglichen sollen, ihre Schulden mit Zinsen zurückzuzahlen. Aber der Finanzmarkt und Börse sind immer davon abhängig, daß in der Produktion Mehrwert erzeugt wird. Im weiteren Verlauf des Booms wächst die Masse des Mehrwerts nicht schnell genug, um alle darauf bereits bestehenden Ansprüche zu erfüllen. Die Kombination steigender Zinssätze mit fallenden Profitraten kann verheerend wirken.

Die Banken selbst können zusammenbrechen. Sie verleihen "das Geld anderer Leute". Wenn die Anleger alle zugleich versuchen, ihr Geld zurückzubekommen, wird die Bank zahlungsunfähig. Wenn nicht der Staat oder die Zentralbank eingreift, kann die Bank das nicht überleben. Das gesamte Finanzsystem kann zusammenbrechen, wie es am dramatischsten 1931 geschah.

Krise

Krisen bringen alle Widersprüche des Kapitalismus zum Vorschein. Es sind Zeiten, in denen die Anarchie des vom Markt regierten Systems aufgedeckt wird, und in denen die Unfähigkeit des Systems, grundlegende menschliche Bedür-fnisse zu befriedigen, offensichtlich wird. In Krisenzeiten wird deutlich, wie Marx es formulierte: "Die wahre Schranke der kapitalistischen Produktion ist das Kapital selbst."

Damit meinte Marx, daß der Zweck der Produktion im Kapitalismus nicht darin besteht, menschliche Bedürfnisse zu befriedigen, sondern Profit zu machen bzw. der Ausdehnung des Kapitals zu dienen. Arbeiter, die ihr Leben im Dienste des Kapitals verbracht haben, werden zum alten Eisen geworfen. Arbeitslosigkeit wächst, nicht weil es nichts zu tun gäbe, sondern weil es nicht mehr profitträchtig ist, so viele Arbeiter zu beschäftigen.

In früheren Produktionsweisen bestand das Problem immer in der Unterproduktion. Eine Ernte fiel aus, oder Kriege zerstörten Stadt und Land. Im Kapitalismus bekommen wir zum ersten Mal in der Geschichte Überproduktionskrisen. Es wird zuviel Stahl produziert - also werden funktionsfähige Stahlwerke geschlossen. Es wird zuviel Nahrung produziert - also wird der Überschuß vernichtet und Regierungen bezahlen ihre Bauern dafür, daß sie das Land nicht bebauen.

Gleichzeitig mangelt es in großen Teilen der Welt an Maschinen, Fahrzeugen und Gebäuden, die mit Stahl hergestellt werden könnten. Millionen Menschen verhungern. Das Problem ist nicht, daß es keinen Bedarf gibt, sondern daß den Leuten das Geld zum Kaufen fehlt.

Das sind die sichtbarsten und schreiendsten Merkmale der kapitalistischen Krise. Aber sie erklären nicht, warum solche Krisen auftreten. Sie erklären auch nicht, warum der Kapitalismus zeitweise imstande ist, sich rasch auszudehnen, bis zu einem Punkt, wo er sich sogar erhebliche Reformen und Steigerungen des Lebensstandards der Arbeiter leisten kann.

Eine Schwierigkeit besteht darin, daß in der Literatur immer wieder zwei Dinge durcheinandergeworfen werden: Einerseits der regelmäßige Kreislauf von Aufund Abschwung, der die Geschichte des Kapitalismus von Anfang an begleitet hat, andererseits längere Zeiträume anhaltender Ausdehnung oder chronischer Krise des Systems.

Ich will hier eine Unterscheidung treffen, die man zwar bei Marx findet, die er aber niemals deutlich ausspricht (hauptsächlich, weil er mit dem "Kapital" niemals bis zu einer systematischen Behandlung der Krisen kam): Zwischen dem Konjunkturkreislauf und den Krisenperioden.

Der Kreislauf von Auf- und Abschwung

Zu Marx' Zeiten dauerte er ungefähr zehn Jahre, von Höhepunkt zu Höhepunkt oder von Talsohle zu Talsohle. Marx nahm an, daß dieser Zeitraum auf der durchschnittlichen Lebenszeit des meisten fixen Kapitals beruht (das ist jener Teil des konstanten Kapitals, der aus Maschinen und Ausrüstungen usw. besteht). Aber auch andere Faktoren wie die Ausdehnung und das Schrumpfen des Kreditmarktes oder die Schwankungen des Welthandels (oder in jüngerer Zeit die Eingriffe der Regierungen) können dieses Schema beeinflussen.

Jedenfalls liegt der Schlüssel zu diesem Kreislauf in den Schwankungen der Investitionstätigkeit (bzw. der Akkumulationsrate). Eine Welle von Investitionen in neue Maschinen wird bedeuten, daß die Nachfrage danach schneller steigt als die Produktion. Die Produktionsgüterindustrien werden sehr rasch wachsen. Aber wenn mit diesen Investitionen mehr und mehr Güter auf den Markt geworfen werden, beginnt die Produktion über die Nachfrage hinauszuwachsen. Die Investitionstätigkeit verlangsamt sich und die Produktionsgüterindustrien kommen in den Abschwung. Arbeiter in der Bauwirtschaft, in der Stahlindustrie und ähnlichen Bereichen werden entlassen, die Nachfrage fällt allgemein, und das ganze System zieht sich zusammen.

Aber wenn sich herausstellt, daß die in der letzten Investitionsrunde beschafften Anlagen verschleißen, werden die Kapitalisten eine neue Welle der Investitionstätigkeit in Gang setzen ...

Es scheint keinen Grund zu geben, warum dieser Kreislauf nicht unendlich weitergehen sollte. Aber das System wird auch älter.

Krisenperioden

Das sind Zeiten, in denen der Kreislauf nicht verschwindet, aber in denen die Aufschwünge kürzer und schwächer und die Abschwünge länger und tiefer werden. Die lange Krise seit Beginn der 70er Jahre hat dieses Muster deutlich gezeigt. Die Abschwünge (1974-75, 1980-82, 1993-94) wurden tiefer, die Erholungsperioden dazwischen jeweils schwächer. In solchen Krisenperioden geht die Investitionstätigkeit in den Abschwüngen wie gewöhnlich zurück, aber sie erholt sich sehr viel langsamer in den Aufschwungzeite7n.

Die Erklärung dafür liegt in Marx' Beschreibung des "tendenziellen Falls der Profitrate" als Ergebnis langer Zeiträume der Akkumulation. Wenn die Profitrate zurückgeht, schwächt sich die Akkumulation selbst ab. Teilweise, weil einige Kapitale zuwenig Profit machen. Teilweise, weil auch jene, die über flüssige Mittel verfügen, zögern, in neue Fabriken oder in die Beschäftigung zusätzlicher Arbeiter zu investieren. Statt dessen ziehen sie es vor, von der Bank Zinsen dafür zu bekommen, oder sie verwenden das Geld, um andere Firmen aufzukaufen. Aber wenn es nicht gelingt, den Mehrwert zu investieren, ihn in den Produktionsprozeß zurückzubringen, wird die Krise nur verschlimmert.

In der Vergangenheit hat der Kapitalismus sich von solchen Krisenperioden erholen können. Die Krise der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts führte zur Bildung von großen Konzernen - was Lenin und Bucharin in ihren Arbeiten über den Imperialismus beschrieben haben. Die Krise der 30er Jahre endete mit dem Zweiten Weltkrieg, und wurde abgelöst durch den langen Aufschwung - die Ära der "permanenten Rüstungswirtschaft", die in den Arbeiten von Kidron und Harman diskutiert wird.

Krisenperioden haben in der Vergangenheit dazu beigetragen, das System zu rationalisieren. Sie haben es von seinen angesammelten Ungereimtheiten befreit. Die entgegenwirkenden Ursachen zum Fall der Profitrate kommen auch ins Spiel: mit der Zerstörung oder Entwertung von akkumuliertem Kapital und fortwährenden Angriffe auf die Arbeiterorganisationen, um die Ausbeutungsrate zu erhöhen.

Aber der Kapitalismus als System ist weiter gealtert. Er ist noch mehr in den Händen von riesigen Konzernen konzentriert. Er wurde einem deutlichen Zuwachs von staatlichen Eingriffen ausgesetzt. Das Bankensystem, die Finanzmärkte haben sich internationalisiert. Keine dieser Entwicklungen hat die Rückkehr der Krise im Weltmaßstab verhindert. Aber sie haben den Verlauf der gegenwärtigen Krisenperiode entscheidend beeinflußt.

Schluß

Abschließend will ich zwei Punkte hervorheben:

Erstens, die grundlegenden Ideen und Konzepte aus Karl Marx' "Kapital" haben von ihrer Bedeutung nichts verloren. Der Kapitalismus ist in seinem Umfang erheblich gewachsen und seine Form verändert. Aber er beruht nach wie vor auf der täglichen Arbeit der Masse der Arbeiterklasse. Er wird nach wie vor beherrscht von der scharfen und manchmal blutigen Konkurrenz unter den Kapitalisten selbst. Und er neigt mehr denn je zu chronischen Krisen, die die Grenzen seiner geschichtlichen Reichweite ans Licht bringen.

Zweitens edoch kann das Ergebnis der gegenwärtigen Krisenperiode nicht vorausgesagt werden. Der Marxismus befähigt uns, zu verstehen, was vor sich geht, und er dient als Anleitung zum Handeln. Er kann nicht den endgültigen Zusammenbruch des Kapitalismus vorhersagen. Der hängt davon ab, daß die Arbeiter der Welt erkennen, daß ausschließlich ihre Arbeit dieses System am Leben hält, und daß sie die Macht haben, dem ein Ende zu machen.





Sozialismus von unten