Sozialismus von unten
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Anne Alexander

Die neue Intifada

Israel, Imperialismus und der palästinensische Widerstand

Im Oktober 2000 explodierte der Konflikt zwischen den Palästinensern und Israel erneut. Die Proteste brachen aus, nachdem die israelischen Behörden dem rechten Politiker und jetzigen Premierminister Ariel Scharon einen Besuch der Al-Aqsa Moschee in Jerusalem erlaubt hatten.
Der Besuch war eine bewusste Provokation. Der Ort ist die heiligste moslemische Stätte außerhalb Arabiens. Scharon wird von den Palästinensern berechtigterweise für einen Kriegsverbrecher gehalten. Er leitete 1982 die israelische Invasion des Libanon, bei der Tausende palästinensischer Flüchtlinge ermordet wurden.
Während Scharons Besuch eröffneten israelische Truppen das Feuer auf unbewaffnete Demonstranten und entfachten damit den größten Aufstand in den besetzten Gebieten seit 1987. Furchtbare Bilder gingen um die Welt: Kampfhubschrauber, die Jugendliche jagen; palästinensische Familien, die sich in ihren Häusern verbarrikadieren; ein 12-jähriger Junge, Mohammed Jemal al-Durah, der von israelischen Soldaten erschossen wurde.
Aber es gibt auch ein anderes Bild, das in den Medien gezeichnet wird. In diesem Bild ist es Israel, das um sein Überleben kämpft. Wenn Israel jetzt “hart durchgreift”, so tut es nur, was jeder Staat in der Welt tun würde, um seine Bürger zu beschützen.
Diese Version ist die, die in den Medien dominiert. Selbst die Sprache der Reporter und Journalisten verrät die Einseitigkeit. Die Toten auf Seiten Israels werden als Morde oder Lynchmorde bezeichnet, während die toten Palästinenser nur “getötet” wurden oder “ihr Leben verloren” haben. Die Journalisten bedienen sich oft der Wörter der Mächtigsten in der Welt. Es war nämlich Madeleine Albright, Ex-US-Außenministerin, die die Palästinenser beschuldigte “Israel zu belagern”.
Kommentatoren verweisen oft darauf, dass es sich um einen ethnischen Konflikt handele, der viele Tausend Jahre alt sei. Die Wurzel, so ihr Argument, liege darin, dass Juden und Araber einander hassen und das auch schon immer getan hätten. In Wirklichkeit gibt es keinen roten Faden des Konflikts, der den antiken Nahen Osten mit dem heutigen verbindet. Der Zionismus, die Bewegung jüdischer Nationalisten für einen jüdischen Staat, ist eine Erscheinung der Neuzeit.
Eine große Anzahl Juden lebte in arabischen Ländern, in Gemeinden die älter waren als der Islam. Hunderte Jahre lebten Juden überwiegend friedlich mit und neben ihren arabischen Nachbarn christlichen und moslemischen Glaubens. Erst die Entwicklung des Kapitalismus und der modernen europäischen Nationalstaaten brachte den Zionismus hervor, und mit ihm den Konflikt zwischen Arabern und Juden. Das Wachstum des Antisemitismus in Europa veranlasste die frühen Zionisten dazu, sich nach einem sicheren Ort für einen eigenen jüdischen Staat umzuschauen. Aber erst die Allianz zwischen Zionismus und Imperialismus verwandelte eine defensive Reaktion auf den europäischen Antisemitismus in eine unterdrückerische Bewegung, die der Zionismus in den letzten achtzig Jahren gewesen ist.

Das imperialistische Interesse an Israel

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gerieten die Großmächte in einen Wettlauf der militärischen und wirtschaftlichen Konkurrenz, der das Leben von Millionen Menschen in Afrika und Asien radikal veränderte. Riesige Gebiete wurden im Zuge dieser aggressiven Großmachtpolitik unter direkte Herrschaft der europäischen Mächte gebracht.
Die Kapitalisten forderten von ihren Regierungen, Rohstoffquellen, Ländereien und neue Märkte unter ihre Kontrolle zu bringen. Diese Form ökonomischer Konkurrenz, Imperialismus genannt, musste irgendwann in Krieg umschlagen.
Ohne ein Verständnis der Art und Weise, wie der Imperialismus den Nahen Osten prägte, ist auch ein Verständnis der Rolle Israels in der Region unmöglich. Vor allem eine Ware führte dazu, dass die Völker des Mittleren Osten Jahrzehnte kolonialer Unterdrückung erleiden mussten. Diese kostbare Substanz war und ist Öl, das Lebensblut des modernen Kapitalismus.
Schon nach dem ersten Weltkrieg erkannte Großbritannien die ökonomische und politische Bedeutung der Kontrolle des Zugangs zu den Ölfeldern am Persischen Golf. Die Anglo-Persian Oil Company, die sich später in BP umbenannte, fand 1908 Öl im Iran. BP, Shell und die Deutsche Bank vereinbarten im Jahre 1914 einen Vertrag über die Ausbeutung der Ölvorkommen im Irak .
Nur das zerfallende Osmanische Reich stand der kolonialen Aufteilung der Region im Weg. Die britischen Strategen versprachen den lokalen arabischen Herrschern, dass sie im Falle einer Rebellion gegen das osmanische Sultanat Unabhängigkeit erhalten würden. Die wahren Interessen wurden offengelegt, als das revolutionäre Regime in der Sowjetunion die Geheimverträge veröffentlichte, die die Aufteilung des Nahen Ostens zwischen Frankreich und England regeln sollten.
Führende britische Regierungsmitglieder argumentierten, dass ein kolonialistischer Siedlerstaat in Palästina den britischen Ölinteressen förderlich sein könnte. In den nächsten Jahrzehnten sollte die Abhängigkeit des modernen Kapitalismus vom Öl deutlich werden. Das gesamte Funktionieren der motorisierten Gesellschaft basiert auf dem ungehinderten und billigen Zugang zu Öl.
Als der Einfluss des britischen Weltreichs abnahm, war es unvermeidlich, dass die Supermächte, die USA und die UdSSR, in Konflikt um die Kontrolle des Nahen Ostens und seiner Ressourcen geraten würden.
In den 1940er und 1950er Jahren war die Aufgabe der Möchtegern-Kolonialherren aber nicht so einfach wie in den 1880er Jahren. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden überall in der arabischen Welt Massenbewegungen für nationale Unabhängigkeit.
Als Reaktion darauf unterstützten die USA korrupte Regime wie zum Beispiel die Pahlavi-Dynastie im Iran und versorgten den neuen israelischen Staat mit massiven militärischen und wirtschaftlichen Hilfen. Israel versprach, der “Wachhund” des Westens im Nahen Ostens zu sein. Für die USA repräsentiert Israel eine wichtige Insel der Stabilität in der Region: ein Staat, der vollkommen von amerikanischer Unterstützung abhängig ist und der von keiner anti-imperialistischen Massenbewegung in Frage gestellt werden kann.
Der Sechs-Tage-Krieg 1967 zeigte Israels beeindruckende militärische Stärke. In weniger als einer Woche erniedrigte Israel die ägyptischen und syrischen Armeen. Weitere Niederlagen 1973 zwangen Ägypten zum Kompromiss mit Israel und den USA. 1980 unterzeichnete der ägyptische Führer Sadat in Camp David einen Friedensvertrag mit Israel und machte damit den Weg dafür frei, dass Ägypten den Iran als den zweitwichtigsten amerikanischen Verbündeten im Nahen Osten ersetzte.
Die Entschlossenheit der USA, die Ölprofite um jeden Preis zu erhalten, wurde auch im Golfkrieg 1991 klar. Die USA überredeten und bedrohten eine beispiellose Anzahl arabischer Staaten, dem Bündnis gegen den Irak beizutreten. Der Krieg kostete 300.000 Irakis das Leben. Die nachfolgende ökonomische Blockade hat weit über 500.000 Menschen, hauptsächlich Kinder, das Leben gekostet. Der frühere US-Präsident, George Bush Sr., machte die Botschaft klar, als er sagte, die Neue Weltordnung sei in vier Wörtern zusammenzufassen: “Was wir sagen, passiert”.
Der Kapitalismus des 21. Jahrhunderts ist weiterhin auf das Öl des Nahen Ostens angewiesen. Trotz der katastrophalen Auswirkungen der Verschmutzungen durch fossile Brennstoffe steigt der Ölverbrauch weiter an. Die relative Bedeutung des Öls im Nahen Osten gegenüber der gesamten weltweiten Ölproduktion hat in den letzten zehn Jahren sogar noch zugenommen. Der Vize-Chef des Ölmultis Chevron drückte das folgendermaßen aus:
“Der Nahe Osten ist das Herzstück unserer Industrie. Seine Bedeutung wird mit der Zeit noch steigen. Zwei Drittel der nachgewiesenen Ölreserven und ein Drittel der nachgewiesenen Gasreserven lagern im Nahen Osten. Und das sind nur die erforschten Vorkommen.”
Der Imperialismus des 21.Jahrhunderts wird vor nichts halt machen, um diesen Reichtum in den Händen der Reichen und Mächtigen zu halten.

Der Zionismus und die Entstehung Israels


Am Ende des 19. Jahrhundert dachten viele Juden, dass sie eine Perspektive in den westeuropäischen Gesellschaften hätten. Die großen Revolutionen der vorhergehenden 150 Jahre hatten viele der Gesetze und Traditionen der mittelalterlichen Gesellschaft aufgehoben, die die Juden als Minderheit diskriminierten.
Trotzdem waren sie als erkennbare Minderheit Zielscheibe neuer Formen des Rassismus. Neue Theorien versuchten einerseits die Juden als “Rasse” zu verdammen und andererseits die Erinnerung an den mittelalterlichen religiösen Antisemitismus wiederzubeleben.
In Russland fanden regelmäßig antisemitische Pogrome statt, bei denen Tausende Juden ermordet wurden - antisemitische Hetzjagden angezettelt durch die zaristische Geheimpolizei. Zehntausende flohen in den Westen, nach Europa oder in die USA, um dort ein neues Leben anzufangen. Aber auch in Westeuropa fanden in dieser Zeit antisemitische Ausbrüche statt. In Frankreich wurde Albert Dreyfus, ein jüdischer Offizier, auf Grund von erfundenen Anschuldigungen wegen Spionage verurteilt. Hohe Armeeoffiziere schürten die Hysterie gegen die Juden.
Dieser Fall überzeugte den österreichischen Journalisten Theodor Herzl davon, dass es für die Juden in der europäischen Gesellschaft keine Zukunft gebe. Im Jahre 1896 veröffentlichte er ein kleines Pamphlet, “Der Judenstaat”, in dem er argumentierte, dass es für Juden nur den Weg gebe, ihren eigenen Nationalstaat zu gründen, um der Verfolgung zu entfliehen. Von Anfang an war Herzl klar, dass ein jüdischer Staat den Rassismus und den Imperialismus nicht herausfordern würde. Ganz im Gegenteil: Herzl argumentierte, die Zionisten sollten um die Unterstützung einer imperialistischen Macht werben, da eine jüdische Kolonie ein “ein Stück des Schutzwalles von Europa gegenüber Asien bilden würde... einen Vorposten der Zivilisation gegen die Barbarei”.
Während der nächsten fünfzig Jahre versuchten zionistische Führer, die imperialistischen Mächte von ihrem Projekt zu überzeugen. Chaim Weizman, ein Wissenschaftler, der für die britische Regierung arbeitete, spielte eine Schlüsselrolle bei der Herstellung einer Verbindung des Zionismus mit der britischen Nahostpolitik. Britische Politiker glaubten, dass die Unterstützung der Zionisten Großbritannien die Möglichkeit eröffnen würde, eine Kolonialmacht zu schaffen, die die ganze Region dominieren würde. Ihre Einstellung zu den palästinensischen Arabern war ähnlich diskriminierend wie die Weizmanns. Weizman berichtet:
”In bezug auf die arabische Bevölkerung teilten mir die Briten mit, dass dort mehrere Hunderttausend Neger seien, dass diese Tatsache aber keine Bedeutung hätte”. Die britische Regierung gab 1917 mit der “Balfour Deklaration” ihre Unterstützung für eine zionistische Siedlung bekannt. In den nächsten Jahren kamen immer mehr jüdische Siedler nach Palästina. Dem zionistischen Mythos folgend, ging es darum ”ein Land ohne Volk, einem Volk ohne Land” zu übergeben.
In Wirklichkeit war Palästina aber eine der am dichtesten besiedelten Regionen der gesamten Mittelmeerregion. Die palästinensischen Araber hatten dort Jahrhunderte lang gelebt. Die Orangenhaine um Jaffa wurden schon seit Generationen von Palästinensern bewirtschaftet. Schon 1880 wurden jährlich über 30 Millionen Orangen von Palästina nach Europa exportiert. Auch christliche Gemeinden in Palästina können auf eine Tradition verweisen, die bis zu den Anfängen ihrer Religion zurückreicht . 1918 gab es 50.000 jüdische Siedler in Palästina und etwa 500.000 palästinensische Araber. Bis 1939 stieg diese Zahl auf 443.000 gegenüber einer Million an. Am Anfang konzentrierten sich die Siedler darauf, Land von arabischen Großgrundbesitzern zu kaufen. Gleichzeitig waren sie aber oft abhängig von arabischen Arbeitern. Später versuchten die Zionisten, die Palästinenser aus allen ökonomischen Bereichen herauszudrängen. Sie organisierten sich in der Histadrut, einer zionistischen Gewerkschaft. Der Slogan der Histadrut war: “Jüdisches Land, Jüdische Arbeit, Jüdische Produkte”. Diese Ideen wurden mit Terror durchgesetzt. Zionistische Aktivisten griffen palästinensische Marktanbieter an und zerstörten ihre Produkte. Die “Jüdische Agentur” setzte Großgrundbesitzer unter Druck, ihr Land zu verkaufen, und die Pachtbauern wurden dann vertrieben.
1936 explodierte die Wut der Palästinenser in einem massiven Generalstreik. Der Streik erfasste große Teile der palästinensischen Gesellschaft. Die Behörden reagierten mit Repression. Die britischen Kolonialherren rekrutierten Zionisten für Milizen. Diese “Special Night Squads” spielten eine wichtige Rolle bei der Niederschlagung des Generalstreiks, der nach 6 Monaten abgebrochen wurde und zwischen 3.000 und 5.000 Palästinensern das Leben kostete. Die Siedler lernten die Lektion von 1936. Die ”Special Night Squads” waren der Kern der zionistischen Milizen, die die Palästinenser 1948 aus ihren Häusern vertrieben.
Die Hinwendung der britischen herrschenden Klasse zum Zionismus war nie mehr als ein zynischer Versuch, die Reste der kolonialen Macht zu erhalten. Die gleichen Politiker und Soldaten, die die Zionisten unterstützten, waren es, die versuchten, jüdische Flüchtlinge aus Deutschland daran zu hindern, in Großbritannien eine sichere Zuflucht zu finden. Selbst als Hitler an die Macht kam, blieben die Einschränkungen bestehen.
Trotzdem blieben die Zionisten unter den jüdischen Menschen weltweit eine Minderheitsströmung. Nur 8,5 Prozent der Juden, die vor Armut und Verfolgung flohen, emigrierten nach Palästina. Fast zwei Millionen hingegen zogen zwischen 1880 und 1929 in die USA.
Viele Juden bekämpften den Antisemitismus vor Ort und bauten Solidarität zu anderen Unterdrückten auf. Juden spielten eine führende Rolle in der Arbeiterbewegung in Ost-Europa und in der sozialistischen Bewegung. Selbst manche Zionisten waren wegen ihrer wachsenden Abhängigkeit von den Imperialisten misstrauisch.
Der Schriftsteller Israel Zangwill argumentierte 1921: “Wir sind Zeugen des kuriosen Phänomens, dass in dem Moment, wo Hindus, Ägypter und Iren darum ringen, das Joch der Briten abzuwerfen, die Juden mit dem gleichen Eifer darauf drängen, sich eben diesem zu unterwerfen. Sie sind wie Schiffsbrüchige auf hoher See, die sich sogar freuen, von einer Sklavengaleere gerettet zu werden”.
Der Zionismus war nie eine wirkliche Alternative für die Masse der jüdischen Menschen in Europa. In den 1930er Jahren war die jüdische Bevölkerung viel zu groß, um sich im Nahen Osten anzusiedeln. Und auch nach dem zweiten Weltkrieg zog es die große Mehrheit der Juden vor, in die USA auszuwandern.

Der Holocaust und danach

Das Ereignis, welches die Zionisten von einer streitbaren Minderheit zu einer meinungsführenden Kraft innerhalb der jüdischen Diaspora verwandelte, war der Holocaust.
Die Nazis ermordeten sechs Millionen Juden in einem geplanten industriellen Massenmord, in einem Ausmaß, dass die Welt nie zuvor gesehen hatte. Jeden Tag, überall im von den Nazis besetzten Europa wurden Juden zusammengetrieben und in Eisenbahnwaggons in die Todeslager verfrachtet. Das Tor von Auschwitz wirft einen langen Schatten auf die Überlebenden und die zukünftigen Generationen und ist eine Erinnerung an die mörderische Logik des Antisemitismus.
Für die Zionisten macht der Holocaust das Argument für einen jüdischen Staat unabstreitbar. Sie verweisen darauf, dass jüdische Flüchtlinge von den USA und Großbritannien abgewiesen wurden. Trotz der Rhetorik eines “Krieges gegen den Faschismus” verurteilten die Alliierten Tausende von Juden zum Tode, weil sie an Einwanderungsquoten festhielten.
Aber die Verbrechen der Nazis und das schändliche Verhalten der Alliierten bestätigen die Zionisten nicht. Die Zionisten argumentieren, dass jede Kritik an Israel einem nachträglichen Sieg Hitlers gleichkommt. In den letzten Jahren haben einige Israelis dagegen argumentiert, dass der Holocaust den Juden eine besondere Verantwortung gebe, neue Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verhindern.
1982 marschierte Israel im Libanon ein. Im September 1982 umzingelte die von Israel bewaffnete libanesische faschistische Miliz, die Falange, die Flüchtlingslager Sabra und Schatilla. Die Israelis riegelten die Flüchtlingslager ab, während die Falangeeinheiten in sie eindrangen und bis zu 2.000 palästinensische Frauen und Kinder ermordeten.
Die Tragödie ist, dass Israel, weit davon entfernt, eine Schutzburg für Juden zu sein, eine der gewalttätigsten Gesellschaften auf der Erde geworden ist. Die Allianz zwischen Zionismus und Imperialismus hat einen Staat geschaffen, dessen Überleben auf systematischer Repression basiert.

Staatsterrorismus

Jedes Jahr, wenn die Israelis ihre Unabhängigkeit feiern, begehen die Palästinenser den Al-Nakba-Tag, den Tag der Katastrophe, als sie ihr Land verloren und ins Exil gezwungen wurden. Eine Mischung aus Terror und Propaganda leerte damals die Dörfer und Städte in weiten Teilen Palästinas. Das Dorf Deir Yassin wurde für einen Angriff der rechten Milizen Stern und Irgun ausgewählt. Eine Szene dieser Ereignisse von 1948 wird von einem Beobachter des Roten Kreuzes beschrieben:
“Das erste Zimmer war dunkel, dort war alles durcheinander, aber es war niemand da. Im zweiten Zimmer entdeckte ich inmitten aufgeschlitzter Möbelstücke und allerart Trümmer einige Leichen. Hier hatte man die ‘Säuberungsaktion’ mit Maschinengewehren, dann mit Handgranaten durchgeführt. Die wurde dann mit Messern zu Ende gebracht, jeder konnte sehen dass ... das Dorf 400 Einwohner hatte, wovon etwa 50 entkamen. Alle übrigen waren planmäßig und kaltblütig hingeschlachtet worden, denn – das hatte ich selbst beobachten können – diese Bande war hervorragend diszipliniert und handelte nur auf Befehl .”
Die Vertreibung der Palästinenser hatte schließlich offizielle Rückendeckung erhalten. Der 1947 beschlossene Teilungsplan der UNO machte den Zionisten ungeheure Zugeständnisse, indem er ihnen die Kontrolle über 57 Prozent des Landes zusprach, obwohl die jüdischen Siedler nur 30 Prozent der Bevölkerung ausmachten. Noch wichtiger war, dass der Teilungsplan der UN vorsah, dass die Supermächte keine Schritte unternehmen würden, um die Rechte der Palästinenser zu verteidigen. Die arabischen Nachbarstaaten entsandten Truppen nach Palästina, aber das Kräftegleichgewicht war von Anfang an ungleich. Die Zionisten hatten seit Jahren Waffen gehortet. Wie David Ben-Gurion, der erste Premierminister Israels, in seinen Memoiren beschreibt, gaben die Zionisten allein 1945 fast eine Million US-Dollar für Munition aus. Die arabischen Armeen waren demoralisiert und schlecht ausgerüstet. Schon als die ersten arabischen Truppen nur vorrückten, traten die jordanischen Herrscher in Friedensverhandlungen.
Der Landraub ging mit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 weiter. Israel besetzte das Westjordanland, Ost-Jerusalem, den Gaza-Streifen und die Golanhöhen, nachdem sein Militär die syrischen und ägyptischen Armeen in einem Blitzkrieg besiegt hatte. Hunderttausende Palästinenser befanden sich jetzt unter direkter israelischer Besatzung. 1982 marschierte Israel im Libanon ein, um den Widerstand der Palästinenser zu brechen, indem der Sitz der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO in Beirut zerstört werden sollte. Unter Israels Verbündeten waren die faschistischen Falange-Milizen und die Südlibanesische Armee, die beide für ungeheure Grausamkeiten verantwortlich sind. Erst 18 Jahre später zogen sich die Israelis zurück.
Palästinenser, die im Westjordanland und im Gaza-Streifen leben, haben jahrzehntelang grausame Repressionen erlebt. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International haben Jahr für Jahr Willkürakte der Armee, standrechtliche Hinrichtungen, Folter, Misshandlung von Journalisten und Inhaftierungen ohne Verfahren zusammengetragen. Auch Kollektivstrafen sind häufig: Ganze Dörfer und Städte werden unter Ausgangssperre gestellt und die Familien von Verdächtigen aus den Häusern vertrieben, oder ihre Häuser werden mit Beton gefüllt. Das US-Außenministerium berichtet jedes Jahr über ähnliche Vorwürfe: ”Im Mai 1996 wurde ein Häftling, der in medizinischer Behandlung war, im Jerusalemer Krankenhaus von israelischen Polizisten zu Tode geprügelt. ... Nach Aussagen des Krankenhauspersonals waren seine Hände und Füße an das Bett gefesselt gewesen.”
In den letzten zehn Jahren wurde die direkte israelische Repression durch die israelischen Siedler ergänzt, die im Westjordanland zur Kontrolle der palästinensischen Bevölkerung benutzt werden. Seit Beginn der Friedensverhandlungen 1993 zwischen der PLO und Israel sind Tausende neue Siedler in palästinensische Gebiete gezogen. Die Siedlerbevölkerung im Westjordanland verdoppelte sich in sieben Jahren von 100.000 auf weit über 200.000 . Siedler schlagen, morden und entführen regelmäßig Palästinenser. Sie haben Zugang zu den besten Ländereien und den Wasserbrunnen. Die asphaltierten Verbindungsstraßen zwischen den Siedlungen, die von der israelischen Regierung finanziert werden, zerteilen das Westjordanland in voneinander isolierte Fragmente. Dies hat es der israelischen Armee ermöglicht, die besetzten Gebiete für Tage oder gar Wochen abzuriegeln. Die gesamte palästinensische Bevölkerung kann also beim geringsten Anlass faktisch unter Hausarrest gestellt werden.
Der Rassismus vieler Siedlerorganisationen hat sogar Israels Verteidiger oft schockiert und in Verlegenheit gebracht. Extremisten wie die Gruppe Kach, die bis zu dessen Ermordung von dem US-Amerikaner Meir Kahane geführt wurde, sind heute zwar verboten, aber ihr Geist lebt weiter. So stürmte Baruch Goldstein 1994 in eine Moschee in Hebron und feuerte wild in die Menge. Dabei starben 29 Menschen. Fanatiker wie Goldstein sind nicht einfach Verrückte am Rande der israelischen Gesellschaft. Ihre Aktionen sind die logische Fortführung vieler Ansätze, die in der Mitte der israelischen Gesellschaft diskutiert werden. Menachem Begin, der israelische Premierminister während der Invasion des Libanons, nannte die Palästinenser “zweibeinige Tiere”. Benjamin Netanjahu, Premierminister während der 90er Jahre, behauptete, die Araber hätten “eine Disposition zu ungehemmter Gewalt. Diese sei zurückzuführen auf eine Weltsicht, die im Namen von bestimmten ideologischen und religiösen Zielen alle moralischen Skrupel zurückstelle.”

Hilfe und Waffen: die amerikanische Verbindung

Israels Fähigkeit zur Repression ist für die Großmächte kein Geheimnis. Nach 1945 übernahmen die USA die Rolle des Hauptwaffenlieferanten Israels. Die Zahlen sind verblüffend. Die Vereinigung der amerikanischen Wissenschaftler führt an: “Die Vereinigten Staaten haben Israel seit 1950 über 46 Milliarden US-$ in Form von nicht-rückzahlbaren Militärhilfen zugestanden, eine Summe, welche die Militärhilfe an Ägypten, den zweiten großen Begünstigten der USA, zuletzt um 20 Milliarden überstieg.” 1996 erhielt Israel 12 Milliarden US-$, was 25% des weltweiten ausländischen Hilfsbudgets der USA ausmachte. Enthalten sind mehrere Millionen Dollar wirtschaftliche Hilfe an ein Land, in dem das durchschnittliche Einkommen bei 19.000 US$ im Jahr liegt. Der größte Teil der Hilfe findet in Form der direkten militärischen Unterstützung statt. Israel erhielt circa 1,8 Milliarden US-$ jährlich zu bevorzugten Bedingungen, die laut dem ‘Washington Report über den Nahen Osten’ “keiner anderen Hilfe empfangenden Nation dieser Welt zur Verfügung stehen.”
Die USA sind glücklich, Israel Ausrüstung zu verkaufen, die eindeutig zur Unterdrückung des palästinensischen Widerstandes entworfen wurde. 1998 bewilligte das US-Außenministerium Exportlizenzen für Anti-Personen-Chemikalien zur Aufstandsbekämpfung im Wert von 3,5 Millionen US-$, dazu 28.539.400 Schuss Munition und 12.768 Gewehre.
Israel wurde über Jahre hinweg als Waffenhändler für die Paria-Staaten der Welt aufgebaut, an die sonst keiner mehr liefern wollte. Israels Kundenliste umfasste in den 80er Jahren die CIA-gestützten Contra-Rebellen in Nicaragua, den Iran, Zaire und Guatemala. Israel hatte sich auch eine besondere Beziehung zum südafrikanischen Apartheidregime aufgebaut, bei der beide Seiten Erkenntnisse über militärisches Expertenwissen austauschten und parallel dazu geheime Atomwaffenprogramme entwickelten. In vielen Fällen hat Israel als Mittelsmann gehandelt, indem es militärische Ausrüstung an Regime weiterleitete, die die USA nicht öffentlich unterstützen konnten.

Der palästinensische Widerstand

Während des halben Jahrhunderts seit der Katastrophe von 1948 hat der palästinensische Widerstand Millionen Menschen auf der Welt inspiriert. Ganze Generationen von Palästinensern sind im Exil oder in den Flüchtlingslagern der besetzten Gebiete aufgewachsen, doch bis heute haben sie ihren Kampf nicht aufgegeben. Der schwarz-weiß-gemusterte Schal, das Palituch, und die palästinensische Fahne wurden zu machtvollen Symbolen der Solidarität angesichts von Unterdrückung. Der Kampf hat Dichter hervorgebracht, Künstler, Musiker und Schriftsteller, die eine palästinensische Kultur des Widerstandes entwickelt haben.
Die Palästinenser waren auf die Katastrophe von 1948 denkbar schlecht vorbereitet. Die Widerstandsorganisationen hatten sich nicht von der Unterdrückung nach dem Generalstreik von 1936 erholt. Es dauerte bis in die späten 60er, bis palästinensische Organisationen nennenswerte Unterstützung mobilisieren konnte. Nach dem Sechs-Tage-Krieg nahmen junge Palästinenser an Guerilla-Ausbildungslagern teil, die Yasser Arafats Fatah anbot. Die Fatah stellte die Führung der Palästinensischen Befreiungsbewegung (PLO).
Die Fatah-Führer argumentierten, dass die palästinensische Befreiung nur durch bewaffneten Kampf erreicht werden könne. Nach der Niederlage von Ägypten und Syrien 1967 schien die Fatah der einzige Fokus für Widerstand in der Region zu sein.
Hinter der Rhetorik von militanter Selbstaktivität verbarg sich die Sehnsucht nach einem Kompromiss sowohl mit den arabischen Regimes um Israel herum als auch mit den imperialistischen Machtzentralen der Region. Fatah setzt eher auf eine Kombination von bewaffnetem Guerillakampf und Geheimdiplomatie als darauf, Tausende normaler Palästinenser zu Massenaktionen für die palästinensische Befreiung zu mobilisieren.
Yasser Arafat lieferte ein dramatisches Symbol für die Strategie der Fatah, als er 1974 den historischen Schritt in die Vollversammlung der UN machte, um bekannt zu geben, dass die Strategie der PLO auf dem Gewehr und dem Olivenzweig beruhe. Bis Ende der 70er hatte die PLO bereits einige Angebote an die USA gemacht, den israelischen Staat anzuerkennen und den bewaffneten Kampf zu beenden, um im Gegenzug einen kleinen, machtlosen und ökonomisch abhängigen „palästinensischen Staat“ im Westjordanland und Gazastreifen zu erhalten.
Nichtsdestotrotz brauchte Israel bis Anfang der 90er, um das Angebot anzunehmen. Einer der Faktoren, der Israel an den Verhandlungstisch mit der PLO brachte, war der palästinensische Aufstand, die Intifada, die 1987 ausbrach. Die Intifada zerschmetterte Israels Selbstzufriedenheit. Steine werfende Teenager griffen die viertgrößte Militärmacht der Welt an. Generalstreiks legten die besetzten Gebiete wochenlang lahm. Das erste Mal seit 1936 waren große Teile der palästinensischen Gesellschaft geschlossen an Massenaktionen für ihre Befreiung beteiligt. Eine Aktivistin beschreibt die Auswirkungen der Intifada:
“Die Führung kommt wirklich aus den Leuten selbst und spiegelt die eigenen Ansprüche der Menschen wieder. Das ist das Werk der Volkskomitees ... wenn die Vereinte Nationale Führung des Volksaufstandes den Generalstreik ausruft, ist kein Laden offen, kein Mensch auf der Straße... Wir sehen heute einen Aufstand der andauert und eskaliert. Er involviert jetzt alle Bereiche der Gesellschaft, alle Klassen. Wir sehen Ladenbesitzer beteiligt; wir sehen Arbeiter beteiligt; es ist nicht nur eine Studentenrevolution.”
Das Herz der Intifada lag in den besetzten Gebieten, nicht bei der PLO im Exil. Durch den Aufstand ist eine neue Generation junger Aktivisten entstanden. Bis heute hat der heroische Widerstand in den besetzten Gebieten zu einem Aufblühen der zuvor geschwächten PLO geführt. Yasser Arafat rief 1988 einen Palästinenserstaat aus und erkannte im nächsten Jahr Israel an. Amerikanische Politiker begannen, Israel zu Verhandlungen mit der PLO zu drängen.
Israelische Politiker hatten eine einfache Antwort auf die Intifada: “Zwang, Macht, Prügel”. Premierminister Yitzhak Schamir argumentierte, Israel müsse die Barriere der Angst zwischen Palästinensern und israelischem Militär wieder aufbauen und den Arabern der Region wieder Todesangst einimpfen. Und als die Intifada andauerte, schien es, als hätte Israel gelernt, mit der schlechten Presse und den steigenden Kosten für die Niederschlagung des Aufstandes zu leben.

Der Friedensprozess: Krieg unter anderem Namen?

Der Golfkrieg 1991 zeigte die militärische und politische Dominanz der USA im Nahen Osten. Einige israelische Strategen begannen, für Verhandlungen mit den Palästinensern zu argumentieren, um Frieden zu erreichen. Aus seiner unglaublich starken Position und mit Zustimmung der arabischen Regime rundherum, die mit US-Hilfs-Versprechungen gekauft worden waren, konnte Israel alle Bedingungen diktieren, die es wollte. Die ausgeklügelten Verträge, die von beiden Seiten seit 1993 ausgehandelt wurden, spiegeln diese Realität in jeder Klausel wieder.
Seit der Friedensprozess begann, hat Israel seine Kontrolle über die besetzten Gebiete durch ein massives Gründungs-Programm von Siedlungen ausgeweitet. Die Bautätigkeit wuchs allein im Jahr 2000 um 96%. Die Friedensverhandlungen gaben der neuen Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) direkte Kontrolle über 60% des Gazastreifens und nur 4% des Westjordanlands. Im Rest der besetzten Gebiete wird die Kontrolle mit Israel geteilt. Genau wie der UN-Teilungsplan von 1947 letztlich die Blaupause für die zionistische Übernahme wurde, legten die Friedensverhandlungen der 90er den Grundstein für die Annexion des Westjordanlands.
Es gibt einfache ökonomische und strategische Gründe für Israels Entschlossenheit, an palästinensischem Land festzuhalten. Israel bezieht 50% seiner Wasserversorgung aus Gebieten , die außerhalb seiner Grenzen von 1967 liegen. Während die Palästinenser gezwungen sind, mit primitiven und mit Düngemitteln verschmutzten Brunnen zurecht zu kommen, bauen Israelis Schwimmbecken und Gärten in die Wüste.
Der Friedensprozess hat es Israel außerdem gestattet, seinen Griff um die verarmte palästinensische Wirtschaft weiter zu festigen. In den palästinensisch kontrollierten Gebieten des Gazastreifens übt das Bevölkerungswachstum eine starken Druck auf die Ressourcen aus. Zwischen Juni 1997 und Juni 2000 stieg die Zahl der Flüchtlinge, die vom UN-Flüchtlingswerk registriert wurden, um 10,5%. Der Kontrast zwischen palästinensischer und israelischer Wirtschaft repräsentiert die Kluft zwischen dritter und erster Welt. Der Gesamtwert israelischer Exporte lag 1995 bei 19 Milliarden US-$ verglichen mit palästinensischen Exporten im Wert von 340 Millionen, von denen 94% nach Israel gingen.
Trotz der Bitten von Seiten der PA-Beamten wollte Israel sich nicht allein auf die Mechanismen des freien Marktes verlassen, um seine Kontrolle über die palästinensische Wirtschaft durchzusetzen. Obwohl die Verhandlungen eine Reihe von Übereinkünften bezüglich des Baus eines Flughafens und von Hafenanlagen in den besetzten Gebieten erzielten, sind die Palästinenser im wahrsten Sinne des Wortes Gefangene des Gazastreifens und des Westjordanlands. Israel hat die Mechanismen der Grenzschließungen systematisch genutzt, um die palästinensische Wirtschaft zu untergraben.
Wie der Autor einer UN-Studie bemerkte, werden “Grenzschließungen... asymmetrisch eingesetzt. Palästinensische Güter werden an der Einfuhr nach Israel größtenteils gehindert, wohingegen israelische Güter weiterhin in palästinensische Gebiete gelassen werden.”
Der Preis für palästinensische Güter in den besetzten Gebieten und in Israel wird durch die Kosten bürokratischer Kontrollen erhöht. Vorrangige Behandlung für israelische Firmen bedeutet oft, dass palästinensisches Obst und Gemüse verrottet, bevor es die Läden erreicht. Der Slogan “jüdisches Land, jüdische Arbeit, jüdische Produkte” beherrscht noch immer die israelische Wirtschaft.
Während die Menschenrechtsverletzungen durch Israel andauern, erleben Palästinenser in den besetzten Gebieten auch noch die Unterdrückung durch die Palästinensische Autonomiebehörde selbst. Die Sicherheitskräfte der PA sind verantwortlich für Todesfälle und Folter in ihren Gefängnissen, für die Verfolgung von Journalisten und Akademikern und für außergerichtliche Exekutionen von mutmaßlichen Terroristen. Der Herausgeber der arabischen Tageszeitung Al-Quds wurde verhaftet, weil er sich weigerte, einen Artikel über Arafats Treffen mit dem griechischen Patriarchen Jerusalems auf die Titelseite zu bringen. Arafats Kommentar zur Verhaftung war schlicht, dass man nicht zulassen könne, dass ein Redakteur den Wunsch und Willen des Vorsitzenden höre und nicht gehorche.
Ein Großteil dieser Unterdrückung dient dem Versuch, alle Kritik an der PA wegen ihrer Korruption und ihres Missmanagement der daniederliegenden Wirtschaft zu unterdrücken. Der Löwenanteil des unzureichenden palästinensischen Haushalts wird für die sieben Sicherheitsorganisationen der PA verwendet.
Der Autor Edward Said beschreibt in einem Artikel im britischen Guardian zu Beginn des Aufstandes im Oktober 2000 das Gefühl des Betrogenseins der gewöhnlichen Palästinenser.
“Einiges der neuen palästinensischen Intifada richtet sich gegen Arafat, der seine Leute mit falschen Versprechen in die Irre geleitet hat und der eine Garnison korrupter Beamten unterhält, die kommerzielle Monopole aufrecht halten, während sie inkompetent und schwach in seinem Namen verhandeln. ... Seine internationalen Förderer akzeptieren das ‚im Namen des Friedensprozesses‘, was wahrscheinlich die meistgehasste Phrase des palästinensischen Wortschatzes ist.”

Kann es Frieden im Nahen Osten geben?

Die neue Intifada vom Oktober 2000 reflektierte die Wut der gewöhnlichen Palästinenser mit der Nutzlosigkeit des Friedensprozesses. Ihr couragierter Schrei der Gegenwehr fand überall auf der Welt sein Echo. Besonders die Studenten und Arbeiter der benachbarten arabischen Länder demonstrierten aus Solidarität mit den Protesten in den besetzten Gebieten. Von Marokko über Syrien nach Ägypten gingen Hunderttausende auf die Straße. Der Funke des palästinensischen Widerstand gegen den Imperialismus setzte den Nahen Osten kurz in Brand.
Das Versagen des “Friedensprozesses” und die Schwäche der PLO zeigen deutlich, dass es unmöglich ist, durch Kompromisse mit dem Zionismus und dem Imperialismus zum Ziel zu gelangen. Friedensverhandlungen bedeuten unter diesen Bedingungen wenig mehr als Kapitulation.
Jedenfalls war in den letzten fünfzig Jahren der Nahe Osten dominiert von Bewegungen, die das Selbstbewusstsein und die Solidarität der arbeitenden Schichten unterminiert haben. Die Führer der Befreiungsbewegungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Kolonialmächte rausgeworfen haben, verlangten, dass die Arbeiter aus Syrien, Ägypten und dem Irak sich selbst opferten, um einen Nationalstaat aufzubauen. Der Traum der nationalen Befreiung verflüchtigte sich, als ökonomische Krisen die nationalen Führer in Verhandlungen mit dem US-Imperialismus trieben.
Im ganzen Nahen Osten sehen sich Arbeiter den gleichen Problemen gegenüber: steigende Preise, fallende Löhne, steigende Arbeitslosigkeit, zerbröckelnde Sozial- und Gesundheitssysteme. Obwohl sie in einer Gegend leben, die die wichtigste Ware auf diesem Planeten produziert, werden sie durch die Allianz ihrer eigenen Herrscher mit den imperialistischen Mächten in Armut gehalten. Die Tragödie der Palästinenser ist Teil der weitergehenden Tragödie der systematischen Plünderung des Nahen Ostens.
Die Schaffung des israelischen Staates basierte auf den Interessen des Imperialismus und den Manövern der Großmächte. Heute richtet sich die israelische Politik sowohl nach den Imperialisten als auch nach den Forderungen der multinationalen Konzerne. Der Kampf für die palästinensische Befreiung ist Teil einer größeren Schlacht für die Rechte der einfachen Menschen, gegen die Minderheit, die momentan alles in ihrem eigenen Interesse entscheidet. Nur dieser Kampf kann einen demokratischen, sozialistischen Staat in Palästina hervorbringen, in dem Araber und Juden in Frieden leben können.
Man könnte fragen, ob es nicht unmöglich ist, so eine Gesellschaft aufzubauen. Sicherlich können Jahrzehnte des Hasses nicht über Nacht weggewischt werden? Die einzig wirkliche Antwort auf diese Frage liegt in einer anderen Frage: Was wäre die Alternative?
Die Kraft, die momentan die Stellung Israels im Nahen Osten durchsetzt, ist die Macht der USA. Trotz ihrer überwältigenden militärischen Überlegenheit haben US-Waffen weder Frieden noch Sicherheit für israelische Juden geschaffen. Statt dessen leben sie in einer der gewalttätigsten und militarisiertesten Gesellschaften der Erde, einer Gesellschaft, die auf der rassistischen Annahme beruht, dass Juden nicht mit anderen Menschen in Frieden leben können. Der Zionismus kann nur überleben, solange er vom Stacheldraht der Apartheid umgeben ist.
Nicht alle Juden sind Zionisten. Es gibt andere jüdische politische Traditionen außer dem Zionismus, Traditionen der internationalen Solidarität und des Sozialismus. Noch während der 1940er Jahre kämpften Juden, arabische Christen und Moslems in Ägypten, Irak und Syrien Seite an Seite gegen den Imperialismus. Sie erkannten ihren gemeinsamen Feind.
Die Ölgesellschaften, die dafür sorgten, dass Ken Saro-Wiwa in Nigeria hingerichtet wurde, sind dieselben, die von der “Stabilität” durch israelische Kampfhubschrauber im Westjordanland profitieren.
Dasselbe System, das Israel mit den neuesten militärischen Technologien versorgt, nimmt aus Schuldenrückzahlungen Milliarden von Dollar von den ärmsten Ländern in Afrika. Das ist der Grund, warum jeder Streik und jede Demonstration gegen die Weltbank, den Internationalen Währungsfonds und die US-Außenpolitik auf die Fesseln schlägt, die die Palästinenser binden.
Dieser Kampf gegen ein unmenschliches System, das Krieg und Armut auf der ganzen Welt hervorbringt, kann die Grundlage legen für dauerhaften Frieden im Nahen Osten.

Anmerkungen

Dieser Text erschien in der englischen Originalausgabe unter dem Titel: Anne Alexander, The New Intifada, London 2001

Quellen
Der israelisch-palästinensische Konflikt wurde und wird nicht nur “konventionell” militärisch geführt, sondern auch mit Argumenten und Statistiken. In folgenden Quellen finden sich Informationen, die in diesen Text einflossen:
www.btselem.org (Israelische Menschenrechtsorganisation);
www.palestine-net.com/intifada.html (Reportagen über die besetzten Gebiete); www.guardianunlimited.co.uk (Archiv mit Augenzeugenberichten und Analysen von Edward Said);
www.pcbs.org (Palestinian Central Bureau of Statistics);
www.fmep.org (Informationen der israelischen Siedlungspolitik);
www.state.gov/www/globl/human_rights/hrp_reports_mainhp.html (US State Department reports);
www.amnesty.org (Amnesty International);
www.mfa.gov.il (Archiv mit wichtigen Dokumenten des Friedensprozesses)

Zum Weiterlesen
Über Öl und Imperialismus: Anthony Sampson, The Seven Sisters (London, 1975).
Über die frühe zionistische Geschichte: Nathan Weinstock, Zionism: False Messiah (London, 1979); Phil Marshall, Intifada: Zionism, Imperialism and Palestinian Resistance (London, 1989). Über Sabra und Schatila: Robert Fisk, Pity the Nation (Oxford, 1992).
Israel und Intifada: Noam Chomsky, Fateful Triangle: The United States, Israel and the Palestinians (London, 1999); David Horst, The Gun and the Olive Branch (London, 1977); Phyllis Bennis, From Stones to Statehood: The Palestinian Uprising (London, 1990).
Das Scheitern des Friedensprozesses diskutiert: Edward Said, The End of the Peace Process (London, 2000); Graham Usher, Palestine in Crisis: The Struggle for Peace and Political Independence after Oslo (London, 1995).




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