Sozialismus von unten Magazin für antikapitalistische Debatte & Kritik Hrsg.: Linksruck Netzwerk Tel: 030 - 63.22.56.30 Fax: 030 - 63.22.56.21 e-mail: svu@linksruck.de www.sozialismus-von-unten.de |
Tobinsteuer: Wie kann die Macht des Finanzkapitals gebrochen werden? Thomas Walter Das Chaos
1997 und 1998 stand die Weltwirtschaft am Abgrund. Gewaltige Kapitalfluchtbewegungen aus den ostasiatischen Tigerstaaten, die gerade noch als Musterländer der Marktwirtschaft gelobt worden waren, ließen die Währungen dieser Länder abstürzen, ganze Jahrzehnte der Entwicklung wurden ausradiert, große Teile der Bevölkerung in Armut gestürzt. Die internationalen staatlichen Einrichtungen, wie der internationale Währungsfonds IWF, waren hilflos. Bis zuletzt hatten sie die Gefahr nicht erkannt oder nicht erkennen wollen. Ihre Lösung bestand dann in harten Sparprogrammen gegen die Bevölkerung. Das internationale Kapital, das die Investitionsruinen finanziert hatte, kam vergleichsweise ungeschoren davon. Dies war weder die erste noch die letzte Krise dieser Art. Der Widerstand
Angesichts des Chaos auf den Weltmärkten, angesichts der sich vertiefenden Stagnationskrise in den großen kapitalistischen Staaten, der offensichtlichen Unfähigkeit der Regierungen die Probleme anzugehen, bildete sich Widerstand. Die Menschen wollten die Märkte nicht länger mehr als unangreifbare Naturgewalten hinnehmen. Die ForderungenAttac, eines der Sprachrohre des Protestes und inzwischen ein breites Bündnis, das von kirchlichen bis zu sozialistischen Gruppen (einschließlich Linksruck) und vom Bischoff bis zum marxistischen Professor reicht , stellt folgende Forderungen:
Die Einführung einer Steuer auf internationale Finanztransaktionen (z.B. Tobinsteuer).
Angeführt werden die Forderungen von der Tobinsteuer. Was soll damit erreicht werden? "Wir betrachten die Tobin-Steuer als Einstieg in die Regulierung der Finanzmärkte. Sie würde Sand ins Getriebe der internationalen Spekulation streuen. Der Widerstand der großen Geldbesitzer, die an unregulierten Märkten verdienen, verhindert bisher die Einführung einer solchen Steuer. Viele Fachleute, aber auch Politiker, Gewerkschaften, Kirchen, Nichtregierungsorganisationen und soziale Bewegungen befürworten die Steuer. Wir wollen auch in der Bundesrepublik dafür den Druck von unten verstärken." So die Erklärung von Attac. Zusammen mit Attac und anderen Organisationen unterstützt auch die Gewerkschaft ver.di die Tobinsteuer. Der Vorsitzende Frank Bsirske erläutert: "Unter unseren Mitgliedern herrscht breites Unbehagen gegenüber globalen Entwicklungen, die sich der Steuerung durch die Politik entziehen."
Die Umsetzung
Wie können diese Forderungen durchgesetzt werden? Auf der Linken fragen manche Zweifler, ob die Forderungen etwa von Attac überhaupt durchgesetzt werden sollen. Sie bezweifeln, dass diese Forderungen tatsächlich ein Mittel gegen Krisen, Sozialabbau, Umweltschädigung, Armut usw. sind. Handelt es sich nicht um reformistische Forderungen, die nur innerhalb des Kapitalismus einige Verbesserungen erreichen wollen, den Kapitalismus aber selbst, obwohl der doch die Ursache aller Übel ist, nicht in Frage stellen?
... besagt das etwa, daß die Arbeiterklasse auf ihren Widerstand gegen die Gewalttaten des Kapitals verzichten und ihre Versuche aufgeben soll, die gelegentlichen Chancen zur vorübergehenden Besserung ihrer Lage auf die bestmögliche Weise auszunutzen? Täte sie das, sie würde degradiert werden zu einer unterschiedslosen Masse ruinierter armer Teufel, denen keine Erlösung mehr hilft. Ich glaube nachgewiesen zu haben, daß ihre Kämpfe um den Lohnstandard von dem ganzen Lohnsystem unzertrennliche Begleiterscheinungen sind, daß in 99 Fällen von 100 ihre Anstrengungen, den Arbeitslohn zu heben, bloß Anstrengungen zur Behauptung des gegebnen Werts der Arbeit sind und daß die Notwendigkeit, mit dem Kapitalisten um ihren Preis zu markten, der Bedingung inhärent ist, sich selbst als Ware feilbieten zu müssen. Würden sie in ihren tagtäglichen Zusammenstößen mit dem Kapital feige nachgeben, sie würden sich selbst unweigerlich der Fähigkeit berauben, irgendeine umfassendere Bewegung ins Werk zu setzen. Gleichzeitig, und ganz unabhängig von der allgemeinen Fron, die das Lohnsystem einschließt, sollte die Arbeiterklasse die endgültige Wirksamkeit dieser tagtäglichen Kämpfe nicht überschätzen. Sie sollte nicht vergessen, daß sie gegen Wirkungen kämpft, nicht aber gegen die Ursachen dieser Wirkungen; daß sie zwar die Abwärtsbewegung verlangsamt, nicht aber ihre Richtung ändert; daß sie Palliativmittel anwendet, die das Übel nicht kurieren. Sie sollte daher nicht ausschließlich in diesem unvermeidlichen Kleinkrieg aufgehen, der aus den nie enden wollenden Gewalttaten des Kapitals oder aus den Marktschwankungen unaufhörlich hervorgeht. ... Statt des konservativen Mottos: ‚Ein gerechter Tagelohn für ein gerechtes Tagewerk!', sollte sie auf ihr Banner die revolutionäre Losung schreiben: ‚Nieder mit dem Lohnsystem!'. [Gewerkschaften] verfehlen ihren Zweck gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern, statt ihre organisierten Kräfte zu gebrauchen als einen Hebel zur schließlichen Befreiung der Arbeiterklasse, d.h. zur endgültigen Abschaffung des Lohnsystems. Der marxistische Wirtschaftswissenschaftler Henryk Grossmann stellt in ähnlicher weltwirtschaftlicher Lage wie heute kurz vor dem offenen Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 1929 angesichts der damaligen Überakkumulation die Bedeutung der Kämpfe um Reformen so dar: "....; erst jetzt wird uns verständlich, warum auf den hohen Stufen der Kapitalakkumulation jede ernstere Lohnerhöhung immer mehr auf steigende Schwierigkeiten stößt, warum jeder große ökonomische Kampf sich notwendig in eine Existenzfrage des Kapitalismus, also in eine politische Machtfrage verwandelt. ... Der Kampf der Arbeiterklasse um die Forderungen des Alltags verbindet sich so mit ihrem Kampf um das Endziel. Das Endziel, um welches die Arbeiterklasse ringt, ist somit nicht ein auf spekulativem Wege, ‚von außen' in die Arbeiterbewegung hereingebrachtes Ideal, dessen Verwirklichung unabhängig von den Kämpfen der Gegenwart der ferneren Zukunft vorgehalten ist, sondern es ist, wie das hier vorgetragene Zusammenbruchsgesetz zeigt, das Resultat, das sich aus den unmittelbaren Klassenkämpfen des Alltags ergibt und durch diese Kämpfe eine beschleunigte Realisation findet."
Das Kapital fürchtet reformistische Kämpfe also aus zwei Gründen. Einmal, weil sie das Bewußtsein der ArbeiterInnen ändern und so in einen revolutionären Kampf münden können. Die von Attac vorgebrachten Forderungen stellen bereits einen Bruch dar mit der herrschenden Weltanschauung, die zur Marktwirtschaft keine Alternative mehr sieht: "Eine andere Welt ist möglich!"
Die Krise im Kapitalismus nach Marx
Im kapitalistischen Konkurrenzkampf wird erreicht, dass immer mehr je Arbeitsplatz produziert wird, auf der anderen Seite wird aber ein Arbeitsplatz immer teurer. Er muss mit immer teureren Maschinen ausgestattet sein, damit die Arbeitskraft darauf immer mehr produzieren kann. Nach Marx wird aber der Wert dieser vielen Produkte gar nicht größer, weil es für die Wertbestimmung auf die Arbeitszeit ankommt, die im kapitalistischen Durchschnitt zur Herstellung der Produkte notwendig ist. Das Verhältnis des Werts der Produktion, der sich nach der gesamtwirtschaftlichen Arbeitszeit bemisst, zum Wert der im Laufe der Zeit aufgetürmten Produktionsmaschinerie verschlechtert sich tendenziell. Dies ist das Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate. Dabei sinkt die Profitrate für die Unternehmen, die die allerneuesten und allerteuersten Maschinen einsetzen, noch am wenigsten. Es ist also aus der Sicht des einzelnen Kapitalisten durchaus vernünftig, wenn er immer teurere Maschinen je Arbeitsplatz einsetzt, auch wenn der Kapitalismus insgesamt dadurch in Schwierigkeiten gerät. So kommt es zu immer tieferen Überinvestitionskrisen. Investitionen sind häufig nur noch profitabel, wenn andere Kapitale aus dem Markt gedrängt werden. Sonst erweisen diese Investitionen sich selbst als Investitionsruinen. Kein Wunder, dass der Kampf zwischen den Kapitalisten und zwischen den kapitalistischen Staaten immer härter wird.
Dieser Profitratenfall wurde nach einer "Pause" von Weltwirtschaftskrise bis zum atomaren Wettrüsten Mitte der 60er Jahre wieder deutlich. Seit den 60er Jahren sinken die Profitraten weltweit. Die USA wollten deshalb durch das Drucken von Geld die Wirtschaft ankurbeln. Die gedruckten Dollarnoten mussten von den anderen Ländern gekauft werden, da sie nach dem System von Bretton Woods, das noch während des zweiten Weltkrieges unter Führung der USA gegründet worden war, verpflichtet waren, die festen Wechselkurse zum Dollar zu verteidigen. Damals begannen die Außenhandelsdefizite, die die USA einfach mit gedruckten Dollars bezahlten. Die "Verbündeten" finanzierten damit die US-Handelsdefizite und die US-Staatsausgaben mit. In den Tresoren der Zentralbanken der anderen Länder sammelten sich mehr und mehr an sich nutzlose Dollarscheine. Eigentlich war die USA verpflichtet, diese Dollar auf Verlangen gegen Gold zu einem festgelegten Preis einzutauschen. Doch bald war klar, dass alles Gold im Fort Knox dafür nicht mehr reichte. Die Spekulation gegen den Dollar begann. 1971 hob der US-Präsident Nixon die Golddeckung des Dollars einfach auf. Da die Konkurrenzstaaten der USA selbst mit der Krisentendenz zu kämpfen hatten, waren sie nicht mehr willig oder fähig, weiterhin den vorgeschriebenen Dollarkurs zu verteidigen und dabei US-Handelsdefizite und staatliche US-Ausgaben zu finanzieren (z. B. den damaligen Vietnamkrieg). 1973 brach das System fester Wechselkurse von Bretton Woods nach mehreren spekulativen Angriffen auf den Dollar endgültig zusammen. Die jetzt "befreiten" Wechselkurse begannen wild gegeneinander auszuschlagen. Die Zentralbanken versuchen bis heute durch Eingriffe, dem sogenannten "schmutzigen" Floaten im Gegensatz zum ""freien Spiel der Wechselkurse", die Wechselkurse zu stabilisieren mit zweifelhaftem Erfolg.
Finanzkapital und Spekulation
Versicherungen versuchen Risiken zu bewältigen, indem viele Risiken zusammengefasst werden. Nach statistischen Gesetzmäßigkeiten (Gesetz der großen Zahl) gleichen sich die Risiken im Durchschnitt aus - so die Lehre - oder gehorchen festen mathematischen Gesetzen. Je mehr Versicherungsnehmer eine Versicherung als Kunden hat, desto mehr kann sie sich auf diese Gesetze verlassen.
Um auf die infolge des Falles der Profitraten gestiegenen Risiken reagieren zu können, war eine gewaltige Ausweitung der Kundschaft der Spekulation (der "Versicherungsunternehmer") notwendig, um statistische Gesetzmäßigkeiten in noch größerem Umfang als bisher ausnützen zu können, eine Ausweitung nach außen und nach innen. Die Spekulation musste dazu eine Umwälzung im wissenschaftlichen, juristischen und politischen Überbau des Kapitalismus durchsetzen. Nach außen: Globalisierung
Die Spekulation musste durchsetzen, dass sie sich weltweit beteiligen kann, um im "Portfolio" die richtige Risikomischung hinzukriegen. Der Gedanke ist, viele hochriskante Papiere, die aber auch mit hohen Gewinnchancen verbunden sind, die "Junkbonds" ("Ramschanleihen"), so zu einem Paket zusammenzufassen, dass insgesamt eine risikoarme Investition mit noch annehmbarer Gewinnchance herauskommt. Einige Projekte mögen zwar scheitern, aber diese Verluste werden durch hohe Gewinne anderer Projekte mehr als ausgeglichen. Dazu ist es aber erforderlich, dass ein Investor sich bei einem Hotel in Indonesien, bei einem Bürohaus in Argentinien und bei einem Bergwerk in Südafrika gleichzeitig beteiligen kann. Kapitalverkehrskontrollen mussten verschwinden, außerdem mussten riskante Investitionen an den Börsen zugelassen werden: Dies ist die Deregulierung des Neoliberalismus.
Nach innen: Verbriefung
Nicht nur Projekte in anderen Ländern, auch solche in den großen kapitalistischen Ländern selbst mussten der Spekulation für ihren Risikoausgleich zur Verfügung gestellt werden. So vergeben Banken im Neoliberalismus keine Kredite an einzelne Unternehmen, das ist zu risikoreich. Um sich zu finanzieren, müssen die Unternehmen Aktien auf den Finanzmärkten verkaufen, also eine Aktiengesellschaft werden, oder (wie schon immer) festverzinsliche Wertpapiere, sog. Schuldverschreibungen, verkaufen. Die Banken sind zum Händler solcher Papiere (die "Briefe") geworden, die Risiken tragen die Käufer und Verkäufer dieser Papiere.
Corporate Governance: Regulierung
Die Spekulanten können sich dabei nicht einfach auf die schon erwähnte mathematische Statistik verlassen. Eine Feuerversicherung z. B. interessiert sich nicht nur für statistische Gesetze, sondern auch dafür, ob das zu versichernde Haus aus Holz oder aus Stein gebaut ist. So verlangt die Spekulation inzwischen von den Unternehmen weltweit die Befolgung fester Regeln, z. B. das regelmäßige und häufige Vorlegen von Finanzberichten. Die mittelständischen Unternehmen mögen jammern, aber anders gibt es kein Geld mehr. Dies ist die Regulierung des Neoliberalismus. Wer die Abschaffung von Regulierungen beklagt, muss sehen, dass der Neoliberalismus lediglich neue Regulierungen an die Stelle von alten gesetzt hat.
ArbitrageAuf diesen neu geschaffenen gesetzlichen und politischen Grundlagen scheinen die Spekulanten auch im Krisenkapitalismus ihrem Geschäft nachgehen zu können. Die Profite zwacken sie dem Produktionsbereich ab, dessen Risiken sie ja auch übernehmen sollen. Viel ist angesichts sinkender Profitraten allerdings nicht zu verdienen. Ein größerer Profit springt oft nur heraus, wenn der Spekulant wenig eigenes Kapital einsetzen muss, also die neuen Möglichkeiten der Finanzinstrumente möglichst ausreizt.Da nicht nur Spekulanten, sondern alle Kapitalisten billig einkaufen und teuer verkaufen wollen, ist eine Definition von Spekulation gar nicht so einfach. Der US-Finanzexperte Nasser Saber schlägt folgende Definition vor: Nach Marx investiert ein Kapitalist Geld G, um einige Zeit später mehr Geld G' zurück zu erhalten. Spekulanten sind Kapitalisten, die den Zeitraum zwischen G und G' auf null verkürzen. Kauf, Verkauf und Profit fallen im selben Zeitpunkt an. Wie geht das? Eine Ware wird auf Termin verkauft, eine andere auf den selben Termin gekauft. Vor der Börsenaufsicht kann das eine Geschäft zur Deckung des anderen dienen, es ist kein Eigenkapital nötig. Steigt bis zum Termin der Preis der zweiten Ware im Verhältnis zu dem der ersten, fällt - dies lässt sich zeigen - zum Termin, wo Kauf und Verkauf abgewickelt werden, ein Spekulationsgewinn an. Der Spekulant hat dabei den Zeitraum zwischen G und G' auf null schrumpfen lassen, allerdings gibt es jetzt den Zeitraum bis zum Termin. Die Krise schlägt zurück
Zunächst kann man also den Spekulanten als eine Art Versicherungsunternehmer auffassen, der andere Kapitalisten durch Termingeschäfte gegen Marktrisiken versichert und dabei selbst seinen Profit macht, indem er diese Termingeschäfte wie beschrieben zu Arbitragegeschäften nutzt. Wirft aber die Krise die Berechnungen über den Haufen, steht er plötzlich als verantwortungsloser Finanzjongleur da. Machte er eben noch Profite ohne Einsatz eigenen Kapitals, steht er jetzt plötzlich riesigen Zahlungsverpflichtungen gegenüber, die er nicht erfüllen kann und droht so auch noch durch eine Kettenreaktion die Krise zu verstärken. Häufig gerät die ursprüngliche auslösende Krise aus dem Blickfeld und der Spekulant steht allein als Verursacher der Krise da.
Von Reform zu Revolution
Marx hat theoretisch gezeigt, dass der Kapitalismus ein in sich widersprüchliches System ist, dass Produktionsbereich und Finanzbereich eine Einheit bilden und dass sich der Kapitalismus nicht reformieren lässt sondern nur als ganzes abschaffen und durch eine neue Produktionsweise ersetzen lässt, bei der die Gesellschaft die Produktion gemäß den Bedürfnissen plant. Auch nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Chaos des Kapitalismus immer deutlicher, wobei eine sich vertiefende Stagnationskrise mit gewaltigen Finanzkrisen einhergeht. Dagegen bildet sich Widerstand. So organisiert Attac in vielen Städten Aktionen für die Streichung der Schulden, für eine Kontrolle des Finanzkapitals, eine Umverteilung von Reich zu Arm, und bringt das ganze in Verbindung mit örtlicher Sparpolitik. Diskussionen über Kapitalismus und um Für und Wider von Regulation oder Reform werden angestoßen, etwa zur Frage der Tobinsteuer: Gelingt es das Finanzkapital zu bändigen? Kommt es bei erfolgreicher Eindämmung der Transfers zu weniger Einnahmen für Umwelt oder dritte Welt (vgl. Öko-, Alkohol- und Nikotinsteuer)? Oder umgekehrt, sprudeln die Einnahmen, weil die kurzfristigen Kapitaltransfers gar nicht reagieren werden? Holen uns hier die Widersprüche des Kapitalismus wieder ein?
Fußnoten · (1) "Die Krise hat in Indonesien drei Jahrzehnte Entwicklung ausgelöscht", so eine Meldung der FAZ vom 6. April 1999.· (2) Jörg Huffschmid; Gegen die Diktatur der Märkte - eine andere Welt ist möglich - Thesen bei einer Veranstaltung von attac, 10.12.1999; S. 6: http://homepage.mac.com/attaczh/Doc/Huffschmid.htm; seit der Liberalisierung der Finanzmärkte, so Huffschmid, hat die Zahl und die Intensität von Finanzkrisen wieder zugenommen, die vielfach internationale Dimensionen annahmen: Anfang der 80er Jahre die lateinamerikanische Schuldenkrise, 1987 der Börsenkrach in New York; 1992/93 die Krise des Europäischen Währungssystems, 1994/5 die Mexikokrise (50 Mrd. $ Hilfspaket des IWF), 1997 Asienkrise, 1998 Rußland, 1999 Brasilien, Ecuador. Die Reihe lässt sich fortsetzen: 2001: Türkei (19 Mrd. $ Kredit), Argentinien (im Dezember 2000 40 Mrd. $ IWF-Kredit, jetzt zusätzliche 8 Mrd. $), Brasilien (bis jetzt 15 Mrd. $ IWF-Kredit). · (3) Association pour une Taxation des Transactions financières pour l´Aide aux Citoyens; etwas: Verein für eine Besteuerung der finanziellen Überweisungen zur Unterstützung der Bürger. · (4) Clinton zitiert nach Daniel Ben-Ami, Cowardly Capitalism - The myth of the global financial casino. Chichester, New York 2001, S. 90; Friedhelm Schnorrenberg, Soziale Ordnung 5, 2001, S. 8 · (5) http://www.attac-netzwerk.de/erklaerung/erklaerung.html; http://www.attac-netzwerk.de/ratschlag/0004tobin.html; http://www.attac-netzwerk.de/rente/index.html; http://www.attac-netzwerk.de/sozsich/index.html; http://www.attac-netzwerk.de/steuerflucht/index.html; http://www.ila-bonn.de/forum/index.html · (6) Jörg Huffschmid; Vorschläge zur Reform der Finanzmärkte; http://www.osz-verkehr.de/kongress/Huffschmitt_Reform%20der%20Finanzmaerkte.htm; Kunibert Raffer; Globalisierung der Steuerregime: Die Tobin-Steuer; publiziert in: Germanwatch (Hg.) Zukunftsfähige Entwicklungspolitik - Vision oder Illusion? Germanwatch, Bonn, 1997, S.54-60; Kaul, Inge, Isabelle Grunberg & Mahbub ul Haq (1996), "Overview", in: ul Haq, Mahbub, Inge Kaul & Isabelle Grunberg (eds.) (1996), The Tobin Tax, Copying with Financial Volatility, Oxford University Press: Oxford, New York; http://www.attac-austria.org/werwirsind/hintergrund.php; · (7) Hans-Hagen Härtel im Wirtschaftsdienst 2001/IX, S. 492. · (8) iwd vom 20. September 2001, Nr. 38. · (9) Vgl.: Quo vadis Gewerkschaftslinke? Für einen Perspektivwechsel der um Perspektiven ringenden Gewerkschaftslinken, Papier zum 4. Kongress: 12./13. Oktober 2001 in Stuttgart: "Welche Gewerkschaften haben Zukunft?" aktuelle und perspektivische Herausforderungen an die Gewerkschaftslinke; http://www.opentheory.org/do-perspektiven-gl/v0001.phtml · (10) Grossmann, Henryk 1970 [1929], Das Akkumulations- und Zusammenbruchsgesetz des kapitalistischen Systems (Zugleich eine Krisentheorie), Leipzig: C. L. Hirschfeld, Neudruck Frankfurt: Verlag Neue Kritik; S. 602f. · (11) Von 1991 bis 1999 stieg in der BRD das Bruttoanlagevermögen in Preisen von 1995 von 15 Billionen DM auf 19 Bio. DM. Die Zahl der Arbeitnehmer, deren Arbeitslänge den Produktionswert bemisst, ging dagegen von 35 Millionen auf 34 Millionen zurück. Langfristig ging in der BRD die Cash-Flow-Rendite von 1972 7,9 % auf 1996 5,2 % zurück. Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 18, Reihe 1.2, Vorbericht 2000, S. 114 und Deutsche Bundesbank, Jahresabschlüsse westdeutscher Unternehmen 1971 bis 1996, Statistische Sonderveröffentlichung 5, März 1999, S. 22ff. · (12) Die Investitionen in Sachkapital von Produktionsunternehmen in der BRD nahmen von 1970 56 Mrd DM auf 1998 170 Mrd. DM zu (Verdreifachung). Die finanziellen Investitionen nahmen in diesem Zeitraum viel mehr zu: von 23 Mrd. DM auf 237 Mrd. DM (Verzehnfachung). Gleichzeitig nahm aber die Kreditaufnahme, das Gegenstück zur finanziellen Investition, ebenfalls stark zu, von 56 Mrd. DM auf 350 Mrd. DM (Versechsfachung). Die Produktionsunternehmen treten also immer stärker sowohl als Geber als auch als Nehmer auf den Finanzmärkten auf, ihre gegenseitige finanzielle Verflechtung nimmt immer stärker zu. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2000/2001, Tabelle 32*. · (13) Es ist also Unsinn zu sagen, die gesetzliche Sozialversicherung kann wegfallen, weil der verschuldete Staat so arm und die Privaten so reich sind. Die Schulden des Staates sind Finanzvermögen der Privaten. Wer das eine streicht, streicht auch das andere. So ist es zwar in den USA gelungen, die Staatsschulden in letzter Zeit zurückzuführen, gleichzeitig nahm aber sozusagen als Reflex die private Verschuldung zu. · (14) Es ist also Quatsch, eine Trennung vorzunehmen in gutes "schaffendes Kapital" (Industriekapital) und böses "raffendes Kapital" (Finanzkapital), wie es demagogisch die Nazis taten und dabei Handlanger beider Kapitale waren. Ideologisch lässt sich diese Trennung zurück über Keynes, Silvio Gesell hin zu Proudhon verfolgen. · (15) Jörg Huffschmid, Vortrag vom 20. November 2000 in der Österreichischen Nationalbank, http://www.attac-austria.org/infos/huffschmid.php · (16) Sachverständigenrat a.a.O. Die Zahlen sollten nicht überbewertet werden: Leiht A an C 100 Mark, sind die 100 Mark Finanzvermögen von A und 100 Mark Schulden von C. Leiht A an B und B an C jeweils 100 Mark, existieren plötzlich 200 Mark Finanzvermögen und 200 Mark Schulden, weil die Kreditkette länger geworden ist. Je länger die Kreditketten, desto höher statistisch das Finanzvermögen und die diesem entsprechenden Schulden. · (17) iwd-Dienst (Informationsdienst des Instituts der Deutschen Wirtschaft), 29. Oktober 2000, S. 6f. · (18) Vgl. Nasser Saber, Speculative Capital vol. I, 1999; ders., Speculative Capital and Derivatives, vol. II, 1999. · (19) Vgl. Jean Marie Harribey 1998, Die Tobinsteuer gegen den Finanzkapitalismus?, http://attac.org/fra/list/doc/harribeyde.htm; Jörg Huffschmid, Vorschläge zur Reform der Finanzmärkte, · (20) Bontrup, Heinz-J. 2000, Zur säkularen Entwicklung der Kapitalrentabilität, WSI Mitteilungen, 11: 718-725; Callinicos, Alex 1998, ‚World Capitalism at the Abyss', International Socialism, 81: 3-43; Deutsche Bundesbank 1999, ‚Jahresabschlüsse westdeutscher Unternehmen 1971 bis 1996'. Statistische Sonderveröffentlichung 5, Frankfurt am Main. (www.bundesbank.de); Duménil, Gérard und Dominique Lévy 1999, The Profit Rate: Where and How Much Did It Fall? Did It Recover? (USA 1948-1997), Paris: Cepremap (www.cepremap.cnrs.fr/~levy/); Geier, Joel und Ahmed Shawki 1997, 'Contradictions of the "Miracle" Economy', International Socialist Review, 2: 6-14; Husson, Michel 1999, ‚Riding the Long Wave', Historical Materialism, 5: 77-102; Moseley, Fred 1997, ‚The Rate of Profit and Economic Stagnation in the United States Economy', Historical Materialism, 1: 161-174. ·(21) Ähnlich wird ja behauptet, dass zuerst mal der Kündigungsschutz vermindert werden muss, bevor es die Unternehmen wagen können, neu einzustellen. · (22) J. Huffschmid, Vorschläge zur Reform der Finanzmärkte, .... a.a.O.; Jörg Huffschmid, Vortrag vom 20. November 2000 in der Österreichischen Nationalbank, http://www.attac-austria.org/infos/huffschmid.php; hätte Huffschmid Recht, bestünden Chancen, das Kapital von seinem Glück zu überzeugen. Doch stößt die Reformierbarkeit des Kapitalismus wegen des tendenziellen Falles der Profitrate auf immer engere Grenzen. · (23) So wird auch eine Lockerung des Kündigungsschutzes gefordert, weil nur so ein Kapitalist es wagen könne, jemanden einzustellen. |