Sozialismus von unten
Magazin für antikapitalistische
Debatte & Kritik

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Ein neuer Krieg, eine neue Weltordnung

Editorial

Während diese Zeilen geschrieben werden, schlagen die ersten Cruise Missiles in Afghanistan ein - einem Land, in dem es nach den Worten der grossen indischen Schriftstellerin Arundhati Roy "nichts mehr zu zerstören gibt, ausser die Menschen". Der Propangadakrieg, den die "Allianz gegen den Terrorismus" unter Führung von George Bush jetzt entfesselt, soll die Tatsachen verdrängen: Terrorismus und Krieg sind die unausweichliche Konsequenz einer von kapitalistischen Krisen zerissenen Welt. Stefan Bornost belichtet die Hintergründe des Krieges und nennt die nächste Aufgabe für die antikapitalistische Bewegung.

Die Bilder vom 11. September haben sich weltweit ins Gedächtnis eingebrannt: Die brennenden Zwillings-Türme, winzige Gestalten, die in ihren sicheren Tod springen. Die Attacke tötete auf fürchterliche Weise tausende arbeitender Menschen - Menschen der verschiedensten Hautfarben und Nationalitäten, Reinigungskräfte, Feuerwehrleute, Wachleute, SekretärInnen. Kein Sozialist kann diesen Anschlag unterstützen. Er tötete Unschuldige und eröffnete den Regierungen in aller Welt die Gelegenheit, mit brutaler Offensivität gegen Feinde im Äußeren wie im Inneren vorzugehen.

Doch der Anschlag rechtfertigt nicht den Horror, den die USA und ihre Verbündeten auf unschuldige Menschen in den ärmsten Ländern der Welt niederregnen lassen wollen. Der Kampf gegen den Terrorismus ist ein vorgeschobenes Argument: In der "Allianz gegen Terrorismus" sitzen Staaten wie Saudi-Arabien und Ägypten, welche den Terrorismus in einem Ausmaße logistisch unterstützen und finanzieren, zu dem Bin Laden gar nicht fähig wäre. Die Regime, die als "Schurkenstaaten" angegriffen werden sollen, die Taliban in Afghanistan und möglicherweise Saddam Hussein im Irak, sind direktes Produkt von militärischer und geheimdienstlicher Einflußnahme der USA.

Der Hintergrund dieses Krieges ist ein anderer: Die Gestaltung der von Bush senior nach dem Zusammenbruch des Ostblocks verkündeten "Neuen Weltordnung" im Interesse westlicher Konzerne und Regierungen. Das Ende des Kalten Krieges hat eine Welt hinterlassen, die drastische Unterschiede zu den vorangegangenen Dekaden aufweist: Zuallererst eine labile Weltwirtschaft, in der die zweitgrößte Ökonomie der Welt, Japan, in einer Dauerrezession steckt, in der das europäische Wachstum vor sich hinkriecht, ganze Riesenländer und Kontinente wie Russland, Afrika, Lateinamerika und Teile Asiens in einer nur mit den 30ern vergleichbaren Depression gefangen sind. Der einzige Lichtblick war der "Jahrhundertboom" in den USA: Ein Boom mit Wachstumsraten, die in den 50er und 60er Jahren als Krisenzeichen gewertet worden wären und dessen abruptes Ende jetzt droht, eine Weltwirtschaftskrise auszulösen.

Vor diesem Hintergrund entfaltet sich das, was wir unter dem Begriff 'neoliberale Globalisierung' kennen. Dahinter verbirgt sich der Versuch der Konzerne und ihrer Regierungen, der Krise und den sinkenden Profiten durch die weltweite Ausbeutung von Ressourcen und billiger Arbeitskraft entgegenzuwirken. In den 90er Jahren sind mehr und mehr Länder unter das brutale Joch von IWF und Weltbank gezwungen worden. Sie mußten ihre Märkte Billigimporten öffnen, die die einheimische Industrie und Landwirtschaft zerstörten. Sie mußten staatliche Grundversorgung wie das Gesundheitsystem oder die Wasserversorgung privatisieren, mit katastrophalen Folgen wie dem Absinken der durchschnittlichen Lebenserwartung in den betroffenen Ländern. Sie mußten ihre Bevölkerung westlichen Konzernen wie Sklaven anbieten, damit diese in mittelalterlichen Sweatshops Turnschuhe und Hemden nähen.

Das ist das eine Gesicht der Globalisierung. Das andere sehen wir gerade in Afghanistan. Die wachsende Ungleichheit hat eine politisch zutiefst instabile Welt hervorgebracht, in der mit eiserner Faust Ordnung geschaffen wird - mit Bomben, Panzern und Raketen, von den US-Streitkräften alleine oder im NATO-Verbund. Wer den Konzernen den Zutritt verwehrt, wer sich nicht freiwillig in den Mahlstrom aus Ausbeutung und Entrechtung wirft, wird mit militärischen Mitteln dazu gezwungen. Auslöser des Krieges der NATO gegen Serbien war nicht die Unmenschlichkeit des Milosevics-Regimes gegenüber den Kosovaren - ähnliche Ungerechtigkeit hatte die NATO bei ihrem Mitgliedsland Türkei im Krieg gegen die Kurden jahrelang akzeptiert. Auschlaggebend war die Weigerung Milosevics, den IWF und damit westliche Konzerne ins Land zu lassen. Nach dem Sturz Milosevics änderte sich die Politik der serbischen Regierung - mit dem Ergebnis, daß die Bergleute der Columbara-Mine, die durch ihren Widerstand den Sturz Milosevics einleiteten, jetzt wieder streiken, diesmal gegen vom IWF verfügte Lohn- und Rentenkürzungen.

Genau dasselbe Interesse steckt hinter diesem Krieg. Er ist eine Gelegenheit für die USA und Großbritannien, Einfluß auf die rohstoffreiche Region rund ums kaspische Meer zu gewinnen. Zugleich ist die Stationierung von Truppen in Usbekistan, direkt an der chinesisches Westgrenze, ein deutliches Signal gegenüber der Macht, welche die USA als langfristig als stärkstes Hindernis im Kampf um globale Hegemonie ausgemacht hat - ein Signal, wie es die Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad war.

Für die deutsche Regierung ist der Krieg nicht nur Gelegenheit für einen nur mit dem deutschen Herbst 1977 vergleichbaren Angriff auf demokratische Rechte - gleichzeitig wird Deutschland neben der ökonomischen nun auch die militärische Führungsmacht auf dem Balkan und damit Sachverwalter von westlichen und vor allem deutschen Konzerninteressen.

Triebfeder dieses Krieges ist globale Konkurrenz, mörderisch ausgetragen auf dem Rücken der Ärmsten der Welt. Normale arbeitende Menschen haben nichts zu gewinnen durch diesen Krieg, im Gegenteil: Wir werden den Preis zu zahlen haben - durch Kriegssteuern und durch eine ungerechtere Welt, die mehr Terror hervorbringt. Deshalb ist die dringendste Aufgabe zur Zeit, die aufkeimende Antikriegsbewegung stark zu machen, die barbarische Logik eines krisenhaften Kapitalismus als Ursache dieses Krieges auszumachen und darum zu kämpfen, daß sich die arbeitenden Menschen, die den Reichtum schaffen, den unsere Herrscher in Mittel der Vernichtung verwandeln, an einer Bewegung gegen Krieg und Kapitalismus beteiligen.





Sozialismus von unten, Nr. 7, Herbst/Winter 2001