Sozialismus von unten
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Debatte & Kritik

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Nr. 6, Frühjahr 2001

[Inhaltsverzeichnis SVU Nr.6]


Rock gegen Rechts:

Wie die NPD Ende der 70er Jahre geschlagen wurde

Sozialismus von Unten sprach mit Arndt Beck, der damals aktiv dabei war.

Ende der 60er Jahre hatte die StudentInnenbewegung den Nazis eine empfindliche Niederlage bereitet. Mitte der 70er Jahre versuchte die NPD Frankfurt zur braunen Hauptstadt Deutschlands zu machen. Wie konnte das verhindert werden?

Frankfurt am Main hatte Mitte der 70er Jahre noch eine starke revolutionäre Linke und die Erfahrungen der 68er-Bewegung waren noch sehr lebendig. Die NPD versuchte damals die Krise 1974/76 für einen Neuaufbau der Nazi-Bewegung zu nutzen. Über eine Millionen Arbeitslose und der Anwerbestopp von Gastarbeitern, verfügt von der unter Helmut Schmidt (SPD) geführten sozialliberalen Regierung, war für die NPD ein günstiges politisches Klima, die braune Bewegung aufzubauen. Von der bürgerlichen Presse erhielten die Nazis obendrein noch Schützenhilfe. Die Illustrierte Bunte veröffentlichte eine Serie, "Hitler, wie er wirklich war". Adolf Hitler wurde als "Tierliebhaber" und "Kunstfreund" verharmlost, 6 Millionen Tote in Konzentrationslagern wurden nicht erwähnt. Für die Nachfolger Hitlers eine gute Gelegenheit, wieder vom "großdeutschen Reich" zu träumen.

Mitte der 70er Jahre kann ich mich an keinen Samstag erinnern, an dem nicht irgendeine Aktion, Besetzung, Kundgebung oder Demonstration stattfand. Wir waren entweder auf Demos gegen die Fahrpreiserhöhung und blockierten die Zeil [Fußgängerzone in der Frankfurter City, Anm. d. Red.] oder organisierten eine Solidaritätskampagne für die portugiesische Revolution. In meinem "Roten Kalender" stand aber auch Schulstreik, Demo gegen AKW in Brockdorf neben einem wichtigen Termin: Flugblätter vor Hartmann u. Braun (Metallbetrieb in Frankfurt) verteilen: 6 Uhr!

Nach einer erfolgreichen Anti-Nazi-Aktion war eine kleine Demo von rund 70 NPD Anhängern gezwungen, auf ihre geplante Abschlußkundgebung zu verzichten. Im darauf folgenden Jahr, am 17. Juni, am "Tag der deutschen Einheit", trommelte die NPD ca. 3.000 teilweise uniformierte Nazis in das "rote Frankfurt". Aufgrund einer fehlenden Aktionseinheit unter den linken Organisationen und der Beschränkung auf eine lokale Mobilisierung, konnten die Nazis mit Hilfe eines großen Polizeiaufgebotes ihre Kundgebung durchführen.

Übermütig nach diesem Erfolg verkündeten NPD Funktionäre, daß das "Deutschlandtreffen" im nächsten Jahr bestimmt auf dem Römerberg stattfinden werde. 1978 ließ der Polizeipräsident Knut Müller (SPD) seine "Knüppelgarde" auf die 8.000 Nazi-Gegner auf dem Römerberg einschlagen, um das vom Verwaltungsgericht erlaubte "Versammlungsrecht" für Faschisten durchzusetzen. Ganz Frankfurt glich einem Schlachtfeld. Überall wurden Straßenbarrikaden errichtet und Tränengaswolken schwebten über die gesamte Innenstadt. Trotz einer der brutalsten und blutigsten Polizeieinsätze, konnte die Entschlossenheit der Antifaschisten nicht gebrochen werden. Die Einsatzleitung der Polizei war deshalb gezwungen, den Nazi-Aufmarsch in die östlichen Randgebiete umzuleiten und die geplante Kundgebung auf dem Römerberg zu verbieten. Dies war ein entscheidender Erfolg der Anti-Nazi-Bewegung und eine wichtige Niederlage für die NPD.

Wie reagierte die Öffentlichkeit und die Presse auf die militanten Auseinandersetzungen gegen die NPD?

Sofort begann die bürgerliche Presse damit, uns als Krawallmacher zu diffamieren, die dem Ansehen des Antifaschismus nur Schaden zufügen würden. Aber auch unter den Linken wurde diskutiert. Auf einem Nachbereitungstreffen in der Uni sagte Daniel Cohn Bendit etwa sinngemäß, daß er nie wieder einen Stein in die Hand nehmen wolle. Ebenfalls wollten die damaligen Vorläufer der Grünen, die Grüne Liste Hessen (GLH), im nächsten Jahr eine Eskalation der Gewalt verhindern. Ausgehend von den Erfahrungen in England und der Initiative Rock against Racism, sollten neue Aktionsformen gegen den Faschismus gefunden werden. Die Idee von Rock gegen Rechts (RgR) war geboren, ein bundesweites Bündnis entstand.

1979 belagerten mehr als 40.000 Menschen die Frankfurter Innenstadt und die Anhänger der NPD mußten vor der Stadtgrenze in ihren Bussen schmoren. Am Abend wurde auf dem Rebstockgelände der Erfolg mit Rockmusik gefeiert. Zum einen hatten wir die Nazis besiegt und, das war auch ganz wesentlich, hatten wir uns ,trotz eines Verbotes, das Demonstrationsrecht erkämpft. Das war der Erfolg eines breiten Bündnisses von linken Gewerkschaftern, Jusos, Initiativen, Künstlern und Musikern bis hin zu Fischers Spontis und der sonstigen revolutionären Linken.

Welche Rolle spielten die Gewerkschaften und wie konnte eine Einheit hergestellt werden?

In der Nachkriegsgeschichte einmalig wurde 1979 nicht nur die NPD-Demonstration verboten, sondern auch Kundgebungen und Demonstrationen des DGB in der Innenstadt. Obwohl sich die RgR Initiatoren redlich bemühten, gemeinsam mit dem DGB zu Aktionen aufzurufen, scheiterten sie immer wieder an den Unvereinbarkeitsbeschlüssen der Gewerkschaft. Der DGB darf nämlich nur als Einzelveranstalter auftreten. Ich glaube, diese Selbstbeschränkung ist noch heute aktuell. Jedenfalls erlaubte das Verwaltungsgericht, trotz vieler Einsprüche und Einwände, daß lediglich das Rock-gegen-Rechts-Festival auf dem Rebstockstockgelände (weit außerhalb der Innenstadt) stattfinden dürfe. RgR stellte dem DGB die Veranstaltungsbühne für ihre Kundgebung zur Verfügung und als dann nach und nach die Demonstranten aus der Innenstadt eintrafen, forderte der damalige DGB Landesvorsitzende den Rücktritt des Oberbürgermeisters Walter Wallmann (CDU) und eröffnete das Rockfestival. Kein Regisseur hätte die Zusammenarbeit zwischen den Linken und dem DGB besser organisieren können als die Dynamik und der massenhafte Protest an diesem Tag.

Die Lehre für uns heute ist, nur durch den festen Willen für gemeinsame Aktionen gegen die Nazis wird eine größtmögliche Einheit erreicht. Und nur die größtmögliche Einheit stoppt die Nazis. Voraussetzung ist, daß möglichst breit gegen die Aufmärsche der Nazis mobilisiert wird, wo immer sie sich versammeln wollen.


Weg mit der NPD! Infos:
Kampagne: Weg mit der NPD!:
www.anti-nazi.de
e-mail: kampagne@anti-nazi.de


Sozialismus von unten, Nr. 6, Frühjahr 2001