Sozialismus von unten
Magazin für antikapitalistische
Debatte & Kritik

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Nr. 6, Frühjahr 2001

[Inhaltsverzeichnis SVU Nr.6]


Wahlen in Italien:

Big Brother Berlusconi?

Von Paul Foot

Die Aussicht, daß eine Mitte-Rechts-Koalition Italien nach den Wahlen am 13.Mai regieren wird, scheint sehr realistisch. Die sogenannte "Casa della Libertá" (Haus der Freiheit) besteht aus drei Gruppierungen, um die sich ein bunter Haufen Ex-Christdemokraten schart.

Der Kopf dieser Koalition ist der Unternehmer Silvio Berlusconi. Als einem der reichsten Männer Europas gehören ihm drei landesweite Fernsehsender, ein Fußballverein, zahlreiche Versicherungs- und Werbefirmen, eine landesweite Zeitung und hunderte andere Unternehmen sowie sieben Villen auf Sardinien. Berlusconi war Mitglied der geheimen (und verbotenen) Freimaurerloge P2, die in den 80er Jahren aufflog. Ihre Mitglieder planten gemeinsam, die Kontrolle über das Land zu gewinnen, indem sie die Schaltzentralen der demokratischen Institutionen und der Medien besetzten. Dieser machthungrige Tycoon (Berlusconi nannte sich kürzlich "den besten der Welt" und hat früher behauptet, mit dem "Öl Gottes gesalbt" zu sein) ist ein fanatischer Anti-Kommunist, der vor allem in die Politik gegangen ist, um seine korrupten Medien- und Geschäftspraktiken vor strafrechtlicher Verfolgung zu schützen.

Berlusconi war schon einmal, 1994, Premierminister. Damals wurde eine ähnliche Koalition nach Korruptionsskandalen und Massenprotesten gegen die geplanten Rentenreformen und die "Post-Faschisten" in seinem Kabinett aus dem Amt gejagt. Die Demonstrationen im Dezember 1994 waren die größten in der italienischen Geschichte.

Viel hat sich seitdem verändert. Berlusconi ist in der Politik geblieben, hat die Skandale ausgesessen und nun eine sehr viel stabilere Koalition zusammengebracht. Die Linke hat sich über sozialen und wirtschaftlichen Reformvorhaben zerstritten, und die linkeste Partei, die Rifondazione Comunista, hat die Koalition verlassen, die die letzten Wahlen von 1996 gewann. Die linke Regierung hat ehrgeizige Reformversuche unternommen, aber ihr größter "Erfolg" bestand in der Verschlankung des öffentlichen Sektors, um die Maastricht-Kriterien zu erfüllen.

Unheilige Allianz

Wem die Aussicht auf eine Orwellsche Regierung unter Berlusconi keinen Schauer über den Rücken jagt, sollte sich seine Koalitionspartner ansehen. Auf der einen Seite ist da die regionalistische Lega Norte unter der Führung des demagogischen Umberto Bossi. Diese rechtsgerichtete soziale Bewegung ködert im Norden Italiens Anhänger mit Steuersenkungspropaganda, Regionalismus und zunehmend rüdem und gewalttätigem Rassismus gegen Einwanderer in Billigjobs. Die Lega stempelt Immigranten pauschal als Kriminelle ab und hat Märsche gegen den Bau von Moscheen und Einwandererunterbringungen organisiert. Einige Führer der Bewegung, wie der berüchtigte Mario Borghesio, haben offen zu Gewalt gegen Ausländer aufgerufen. Der Bürgermeister von Treviso schlug vor, Ausländer in Tierkostüme zu stecken, um sie dann zu jagen!

Das dritte Glied dieser unheiligen Allianz ist bekannt als die Alleanza Nazionale. Viele der Mitglieder und Politiker der AN kommen direkt aus der MSI, einer neo-faschistischen Partei, die in Italien ab 1946 aktiv war. Die MSI dümpelte für gewöhnlich in den trüben Gewässern am äußeren Rand des politischen Spektrums und erreichte selten mehr als 5 Prozent der Wählerstimmen. Nach dem Zusammenbruch der Partei 1992, der auf massive Korruptionsskandale und das Ende des Kalten Krieges folgte, erfand die MSI sich neu als AN und gewann wieder Glaubwürdigkeit, Mitglieder und Stimmen. Obwohl die Partei sich nach außen hin eher moderat gibt, muß man an der glatten Oberfläche vieler ihrer Politiker nur ein wenig kratzen, um den polternden Faschisten herauszukitzeln.

Anfang diesen Jahres ereiferte sich der Regionalchef der AN Francesco Storaze (Lazio/Rom und Umgebung) über die "kommunistischen" Darstellungen der italienischen Geschichte in den Schulbüchern und kündigte an, eine Kommission einzurichten, die diese Bücher zukünftig auf Linie bringen solle. Viele AN-Politiker möchten die Geschichte Italiens aus einer faschistischen Perspektive neu schreiben, der Resistenza (1943-45) weniger Platz einräumen und dafür die sogenannten Verbrechen des Kommunismus und die glorreiche Zeit unter Mussolini hervorheben. In verschiedenen AN-regierten Kommunen sind bereits Straßen umbenannt und Denkmäler entfernt worden. Diesem gefährlichen Revisionismus würde unter Berlusconi freies Spiel gelassen.

Die Linke

Und was macht die Linke angesichts dieser bedrohlichen Aussichten? Ihr Spitzenkandidat ist Francesco Rutelli, ein moderater Realo-Grüner mit einem sympathischen Lächeln und betriebsamen Imageberatern. Er führt eine hoffnungslos gespaltene Koalition, deren Politik des Dritten Weges sie sich bei Tony Blair und Gerhard Schröder abguckt. Aber es besteht eine gewisse Hoffnung, daß die Mitte-Links-Parteien genügend Stimmen zusammenbekommen, um Berlusconis allzu radikale Reformpläne zu blockieren.

Links von Rutelli steht die Rifondazione Comunista diesmal allein und fährt einen traditionellen radikal-reformistischen Wahlkampf. Auf der Straße stellen die sogenannten Centri Sociali die einzige ernstzunehmende Opposition gegen die Faschisten. Diese sozialen Jugendzentren organisieren regelmäßig Demos für die Rechte von Ausländern und gegen Versammlungen der extremen Rechten.

Der wirkliche Knackpunkt nach den Wahlen wird die Stärke der Gewerkschaften sein. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad ist immer noch hoch, besonders im öffentlichen Dienst. Regelmäßig legen Streiks den gesamten Bahnverkehr lahm. Es ist noch nicht klar, ob Berlusconi den Willen und die Kraft haben wird, die Gewerkschaften frontal anzugreifen. Falls er das versuchen sollte, könnten wir Massenproteste in den Ausmaßen von 1994 erleben.

Wenn er sich jedoch darauf beschränkt, seine privaten Geschäftsinteressen dann als Regierungschef eines großen EU-Staates zu verfolgen, wird die Demokratie vor den Zusammenbruch gerückt. George Orwells Alptraum würde sich in Italien verwirklichen. Nach Haiders Wahlsieg in Österreich geriet die ganze Welt in Aufruhr. Sollte Berlusconi gewinnen, sähe die Sache viel schlimmer aus. Anti-Faschisten und Sozialisten sollten jetzt schon Slogans und Plakate für eine massive Agitation nach dem 13.Mai vorbereiten.




Sozialismus von unten, Nr. 6, Frühjahr 2001