Sozialismus von unten - Zeitschrift für sozialistische Theorie und Praxis

Nr.5, Winter 2000/2001

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Sozialismus von unten
Zeitschrift für sozialistische Theorie und Praxis
  
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 Brief aus der Türkei:

"Wo der IWF ist, gibt es Elend!"

Von Mustafa Korkmaz

Der von der türkischen Regierung geplante Haushalt 2001, der die eh nicht sehr üppigen Lebensbedingungen der Bevölkerung weiter verschlechtern würde, trägt die deutliche Unterschrift des Internationalen Währungsfonds (IWF). Siyami Erdem, Vorsitzende der Gewerkschaft KESK (Öffentlicher Dienst), brachte es auf den Punkt: „Dort wo der IWF ist, gibt es Armut, Elend, Ausbeutung (...) Stabilität für das Kapital bedeutet Hunger und Elend für uns“. Am 11. November brach die Wut über die geplanten sozialen Verschlechterungen sich Bahn: 100.000 Arbeiter und Angestellte aus allen Teilen der Türkei protestierten in der Hauptstadt Ankara gegen ihre IWF-hörige Regierung unter dem Motto: „Ein Haushalt für die Bevölkerung, nicht für den IWF“. „Generalstreik“ und „ Nieder mit dem IWF“ waren häufige Slogans.

Um von IWF und Weltbank neue Kredite zu erhalten, will die Regierung den vom IWF für die Türkei vorgelegten Maßnahmenkatalog umsetzen. Die wichtigsten Forderungen des IWF sind: Privatisierungen von Krankenhäusern, Banken und anderen Staatsbetrieben, Senkung der Staatsausgaben (Sozialabbau; Kürzung im Gesundheits- und Bildungsbereich), Beschneidung der Einkommen und Einfrieren der Löhne und Gehälter.

Seit vielen Jahren werden die IWF-Konzepte in der Türkei von allen Regierungen akzeptiert und durchgesetzt. Das hatte zur Folge, dass die Reallöhne nicht nur eingefroren, sondern sogar auf das Niveau der sechziger Jahre gedrückt wurden.

Durch die Privatisierungen in den letzten 10 Jahren haben 30 Prozent der Arbeiter in dem Staatsbetrieben ihre Arbeit verloren. Das reichste ein Prozent der Haushalte hat ein monatliches Einkommen von 7,5 Milliarden Lira (250.000 DM), das ärmste ein Prozent der Haushalte hingegen muss mit mageren 32. Millionen Lira (106 DM.) monatlich auskommen. Die Inflation beträgt zur zeit 80 Prozent und frisst selbst diese mageren Einkommen auf.

Der IWF Vertreter Carlo Cottarelli, der für die Türkei zuständig ist, verhandelt derzeit mit der Regierung und ist der Meinung, dass türkische Arbeitnehmer immer noch viel zu viel verdienen. Er fordert eine weitere Kürzung der Löhne und Gehälter. Das ist typische IWF-Politik: Es gilt, auch noch den letzten Pfennig aus der Bevölkerung herauszupressen.

Antikapitalistische Stimmung

Im Gegensatz zu den Behauptungen der Linken in der Türkei, dass sich die Arbeiterklasse nicht wehre und das es keine antikapitalistische Stimmung im Land gäbe, tragen die Beschäftigten nun ihre Wut auf die Straße. Das große Problem ist, dass die Linke nicht in der Lage ist, von dieser Stimmung zu profitieren. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung will Veränderungen. Als ein Konflikt zwischen der Regierung und dem Staatspräsidenten zu einer Regierungskrise führte, unterstützte die Mehrheit der Bevölkerung den Staatspräsident, weil er die Regierung in vielen wichtigen Punkten heftig kritisierte.

Die Fundamentalistische Partei RP ist die einzige Partei, die von dieser Stimmung profitiert, weil sie die einzige sichtbare Opposition gegen die neoliberale Politik der Regierung ist. Das ist auch der Grund, warum die Fundamentalisten wachsen.

Um wieder handlungsfähig zu werden, müsste die Linke in der Türkei an die antikapitalistische Stimmung der Bevölkerung anknüpfen. Die Arbeiterbewegung könnte die Linke neu beleben und die Linke könnte mit ihren Ideen die Arbeiterbewegung befruchten. Es gibt die Chance, die Angriffe des IWF und der Regierung zu stoppen. Diese Chance darf nicht vertan werden.

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