Sozialismus von unten - Zeitschrift für sozialistische Theorie und Praxis

Nr.5, Winter 2000/2001

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Sozialismus von unten
Zeitschrift für sozialistische Theorie und Praxis
  
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„Die Araber wurden ins Exil getrieben

Will man die Wurzeln der wiederkehrenden Krisen, Intifadas und Kriege im Nahen Osten und die Gründe, weshalb amerikanische Präsidenten, westliche Außenminister und der Generalsekretär der Vereinten Nationen solche Angst haben vor Rebellionen innerhalb Israels und der besetzten Gebiete verstehen, muß man die Rolle erkennen, die Öl, Imperialismus und Zionismus spielen.

Von Henry Maitles

Wegen des Öls und der Frage, wer es kontrolliert, ist der Nahe Osten die Region, der seit dem frühen 20. Jahrhundert die größte Sorge des Westens gilt. Die Region verfügt derzeit noch immer über mehr als die Hälfte der weltweiten Ölreserven. Dadurch steht sehr viel auf dem Spiel – am 13.Oktober, eine Woche nach Beginn der jüngsten Krise, schnellten die Ölpreise auf den höchsten Wert seit zehn Jahren und Journalisten warnten, eine Weltwirtschaftskrise könnte die Folge sein.

Wenngleich die USA mittlerweile im Namen der westlichen Interessen und möglichst mit Hilfe von willfährigen arabischen herrschenden Klassen verfahren, ist für den Westen dennoch wichtig, daß es in der Region eine Macht gibt, die militärisch im Interesse des Westens handeln kann, sei es durch Einschüchterung reaktionärer arabischer Herrscher oder durch Invasion. Im Jahre 1917 sagte ein britischer Staatsmann, eine Unterstützung des zionistischen Vorhabens hieße, ein „loyales kleines Ulster (Nordirland, d.R.)“ in der Region zu schaffen, das die Kontrolle aufrechterhält und Angriffe ausschließt. 1951 verglich die einflußreiche israelische Zeitung Ha’aretz Israel mit einem „Wachhund“ westlicher Interessen, auf dem man sich „bei der Bestrafung benachbarter Staaten verlassen“ könne, die begannen, eine Bedrohung dieser Interessen darzustellen. Paradoxerweise konnte der Westen Israel während der Operation Wüstensturm nicht dazu benutzen, den Irak zu „bestrafen“, weil dies ihre sorgsam aufgebaute arabische Front gegen Saddam Hussein aufgebrochen hätte. Es überrascht nicht, daß Israel Hauptempfänger US-amerikanischer Finanzhilfe war und ist, wodurch sichergestellt wird, daß Israels Rüstungsausgaben, die es zur dritt- oder viertstärksten Militärmacht der Welt machen, aufrechterhalten werden können, ohne daß die soziale Struktur des Landes auseinanderbricht.

Der jüdische Staat ist keine Antwort

Zionismus ist eine politische nationalistische Bewegung, die darauf besteht, Juden müßten ihren eigenen Staat haben, weil Nichtjuden gesellschaftlich, von Natur aus und genetisch Antisemiten seien. Er entwickelte sich als Bewegung für die Juden in Osteuropa in direkter Konkurrenz zum Sozialismus. Leo Pinsker, ein führender Zionist, behauptete, „Judenhetze (sei) nicht nur die Eigenart einer bestimmten Rasse, sondern der gesamten Menschheit gemein. Sie wird vererbt wie eine psychische Krankheit und ist als solche seit 2000 Jahren unheilbar.“ Der Zionistenführer Theodor Herzl argumentierte, der „Versuch, den Antisemitismus zu besiegen (sei) sinnentleert und zwecklos“. Mit dieser Begründung verhandelten Zionisten mit üblen Antisemiten wie dem Zarenregime, westlichen imperialistischen Mächten und sogar mit den Nazis über eine Heimat für die Juden. Diese Form der Zusammenarbeit wurde 1982 im Libanon fortgeführt, als die isrealische Invasionsarmee (ironischerweise unter dem Kommando Sharons, des derzeitigen Likud-Führers) die faschistischen libanesischen Falange-Milizen dazu ermutigte, palästinensische Frauen, Kinder und Alte in den Lagern Sabra und Shatilla zu massakrieren.

Sozialisten haben stets dafür argumentiert, daß Juden Unterdrückung bekämpfen müßten, wo auch immer sie sich aufhielten und daß ein jüdischer Staat keine Antwort auf Rassismus sei, sondern vielmehr ein Hort der Reaktion, wo Juden andere bedrohen und sich selbst in ständiger Bedrohung wiederfinden würden. Die meisten politisch aktiven Juden beteiligten sich an den russischen sozialdemokratischen Bewegungen oder unterstützten sie. Zionisten stellten unter Juden bis zum Aufstieg Hitlers und dem Holocaust eine sehr kleine Minderheit dar – die meisten Juden, die aus dem Russischen Reich gegen Ende des 19.Jahrhunderts emigrierten zogen eher in die USA oder nach Westeuropa als nach Palästina. Das berechtigte Mitleid mit den Juden nach dem Zweiten Weltkrieg und die politischen Umtriebe der Westmächte ermöglichten es den Zionisten mit einer Mischung aus Terror und Diplomatie einen jüdischen Staat in Palästina zu errichten. Dieselben westlichen Staaten, die die Augen verschlossen oder sogar Gesetze erlassen hatten, die es Juden unmöglich gemacht hatten, der Verfolgung durch die Nazis im Osten durch Flucht in den Westen zu entkommen, untersützten nun die Gründung eines jüdischen Staates.

Obwohl die Zionisten behaupteten, Palästina sei „ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“, war da doch die unglückliche Tatsache, daß im Jahre 1947 630.000 Juden und 1.300.000 palästinensische Araber in Palästina lebten. Um einen jüdischen Staat zu ermöglichen mußten palästinensische Araber ins Exil getrieben und Dörfer zerstört werden – von 475 palästinensischen Dörfern, die es 1948 gab, wurden 385 vollständig zerstört und in Schutt und Asche gelegt. Juden wurden so zur Mehrheit im neuen Staat, bis an die Zähne bewaffnet und palästinensische Araber wurden zu Flüchtlingen oder zu Bürgern dritter Klasse in ihrem eigenen Land. Nach außen hin wurde jede Kritik mit dem Holocaust abgewehrt und im Inneren wurde der linke Zionismus vollständig eingegliedert und ultranationalistisch (obwohl Israels Politik so reaktionär war, daß es ab 1982 zu mutigen Friedensbewegungen kam.).

Dem zionistischen Nationalismus wird palästinensischer Nationalismus entgegnet. Obwohl dieser unglaublich tapfer ist, liegt in ihm die wesentliche Schwäche. Yassir Arafat und die PLO sind von ihrer ursprünglichen Position, der Forderung nach einem demokratischen palästinensischen Staat, abgerückt und haben nun ein staatenähnliches Gebilde akzeptiert, das völlig unter wirtschaftlicher und militärischer Herrschaft Israels steht. Dies ist ein ärmlicher Kompromiß nach Jahren der Niederlagen gegen Israel und des Verrats genau jener arabischen herrschenden Klassen, von denen sich die PLO Unterstützung erwartet. Genau das führte direkt zum Wachstum der islamistisch-fundamentalistischen Hamas, der Organisation, die die Opposition sowohl gegen Barak als auch gegen Arafat anführt. Doch die Aufstände und die offenkundige Ungerechtigkeit der israelischen Maßnahmen führen dazu, daß die arabische Arbeiterklasse in Ägypten, Syrien, Libanon, Jordanien, Saudi-Arabien und anderswo mit den Palästinensern sympathisiert und so betritt genau die Kraft die Bühne, die das Potential hat, die gesamte Geschichte der Region zu ändern.

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