Sozialismus von unten - Zeitschrift für sozialistische Theorie und Praxis

Nr.5, Winter 2000/2001

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Sozialismus von unten
Zeitschrift für sozialistische Theorie und Praxis
  
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In dem im September veröffentlichten Buch "20 Jahre HipHop in Deutschland" werden die Entwicklungen im HipHop seit Anfang der 80er Jahre analysiert. In einem detailliertem Bild werden Mainstream, Kommerzialisierung und Underground beleuchtet. Nicole Gohlke sprach mit Hannes Loh , Ex-Sänger von Anarchist Acadamy, und einer der Autoren des Buches.

Das neue Album von Torch, Ex-Rapper bei Advanced Chemistry beinhaltet eine gute Portion Kapitalismuskritik. Fettes Brot haben nach der bundesweiten Demo gegen die NPD-Zentrale am 7. Oktober auf einem antirassistischen Festival gespielt. Kann man davon sprechen, dass sich politisch progressive Elemente im HipHop durchsetzen?

HipHop in Deutschland wurde Anfang der 80er Jahre stark gemacht von Migrantenkids, die in der zweiten Generation von Einwanderern in Deutschland lebten. Nicht nur gesellschaftlich, sondern auch kulturell befanden sich diese Jugendlichen im Abseits. Ihre Eltern wollten meist zurück in ihre Heimatländer, die deutsche Gesellschaft und Kultur hatte nichts für sie übrig, sie wurden ausgegrenzt und unterdrückt. Jeder, der Günter Wallrafs "Ganz Unten" gelesen hat, kann sich das in etwa vorstellen. Für diese Kids wurde HipHop als Kultur, in der weder Hautfarbe noch Herkunft, noch sozialer Status eine Rolle spielen, schnell interessant. Und die haben HipHop hierzulande auch groß gemacht.

Mit dem Erfolg der Fantastischen Vier begann jedoch eine Spaltung in "Deutschrap" und "Oriental HipHop". "Deutscher HipHop" war für die Medien plötzlich Thema und nicht "HipHop aus Deutschland". In dieser Definition kamen aber viele nicht mehr vor.

Feridun Zaimoglu und die Kanak Attack Bewegung stehen - mit vielen anderen - heute für ein neues Selbstbewußtsein innerhalb der dritten MigrantInnengeneration. Das spiegelt sich seit einiger Zeit auch im HipHop wieder. Ich erinnere nur an den Kanak Attack Allstar Song, auf dem unter anderen Mura G aus Frankfurt, Boulevard Bou aus Heidelberg, Aljoscha aus Hamburg, Aziza aus Berlin und TCA aus Köln klare Worte verlieren. Die Leute haben keinen Bock mehr auf dieses Multikulti-Reservat.

Diese neue Kraft spürt man auch, wenn man sich Skills en Masse anhört - da steckt eine Power hinter, die es bisher so noch nicht gegeben hat.

Wohin geht der HipHop unetr Rot-Grün?

Ich denke, wir stehen da am Anfang einer sehr interessanten Entwicklung. Die neuen Strömungen im HipHop können wirkungsmächtig werden. Die Jugendlichen die gerade in irgendeinem Jugendzentrum rappen, haben die aktuellen Nazi-Übergriffe miterlebt. Die Hetzkampagne der CDU gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, Rüttgers "Kinder statt Inder", die Desillusionierung mit der rot-grünen Politik sind Teil ihrer Geschichte. Leute wie Max von Freundeskreis, die vor drei Jahren für ihre politischen Inhalte gelobt wurden, werden inzwischen von links überholt.

 Ihr schreibt in eurem Buch auch etwas über Sexismus und Homophobie in der HipHop-Szene. Wie beurteilt ihr denn Rapper wie z.B. Kool Savas, die in ihren Texten über Frauen und Schwule herziehen?

Sexismus und Homophobie sind gesamtgesellschaftliche Phänome. Wer Witze über Schwule oder Frauen macht, hat meistens die Lacher auf seiner Seite. Insofern sind die Lyrics von Savas nicht unbedingt überraschend oder außergewöhnlich. Interessant wird die Sache, wenn man sich die Entwicklung der Battle-Lyrics im HipHop vom Beginn der 90er Jahre bis heute anschaut. Es gab eben sehr wohl einmal bestimmte Grenzen, gewisse unausgesprochene Spielregeln, an die man sich hielt. Leute wie der Rapper Spax können sich daran erinnern und haben die Courage, so etwas anzusprechen. Spax hat in einem Interview darauf hingewiesen, dass man Reime wie "Mein Style ist wie AIDS und trifft als allererstes Schwule" nicht hinnehmen darf. Er sagt zurecht, dass Rapper heute viel mehr Verantwortung tragen, da sie viel mehr Leute erreichen als noch vor drei Jahren und zwar zum größten Teil Kids, die nicht älter als dreizehn oder vierzehn Jahre sind. Das Problem ist, dass es noch keine wirkungsmächtige Debatte innerhalb der Szene gibt. Es kommt darauf an, diese Themen jetzt an die Szene heran zu tragen, die Rapper jetzt mit Forderungen zu konfrontieren. Das Bedürfnis nach Inhalten ist da - das merken wir deutlich an den Reaktionen auf unser Buch. Viele sind dankbar, dass wir diese Punkte angesprochen haben und knüpfen an unseren Beitrag an.

Hannes Loh / Sascha Verlan: „20 Jahre HipHop in deutschland“, Hanibal-Verlag, 20DM



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